Innen & Außen - von Redaktion
Arche, vertikal gemauert
Tschaikowsky-Haus im Hamburger Karolinenviertel
Marklkofen – Kein starres Rechteck, dafür ein dezent zum Achteck geformter Grundriss, eine vertikal gemauerte Fassade, prägnante Gauben: Mit wenigen Abweichungen von der Regel des Riegels wird das neue Gemeindehaus einer russisch-orthodoxen Kirche in Hamburg zum unverwechselbaren Stadtbaustein. Der Neubau des „Tschaikowsky-Hauses“ von Heidenreich Springer Architekten greift die Materialität der bestehenden Kirche auf und etabliert an einem verkehrsreichen Ort ein ruhiges Ensemble mit schön gefasstem Vorplatz südwestlich des Hamburger Messegeländes.
Für die russisch-orthodoxe Kirche des Heiligen Johannes zu Kronstadt war es ein Glücksfall: Im Zuge der Zusammenlegung zweier protestantischer Gemeinden auf St. Pauli wurde die evangelische Gnadenkirche im Karolinenviertel frei. Wenige Eingriffe am Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten, wuchtigen Zentralbau genügten, um die Kirche in ein orthodoxes Bethaus zu transformieren. Das bestehende „Haus der Heimat“ – das frühere Gemeindehaus – musste allerdings auf Grund massiver Bauschäden abgebrochen werden. Ergänzend lobte die Gemeinde im Jahr 2010 ein Gutachterverfahren zur Formfindung eines neuen Gemeindehauses aus, das die Berliner Architekten Heidenreich Springer für sich entscheiden konnten. Angelehnt an die biblische Figur der „Arche“ entwarfen sie einen dezent zum Achteck geformten Riegel, der den Tschai-kowskyplatz vor der Kirche fasst und dabei vom starken Verkehr der Hauptstraße „Vor dem Holstentor“ abgrenzt. Mit seiner grauen, vertikal gemauerten Verklinkerung und dem anthrazitfarbenen Dachgeschoss nimmt der Neubau Bezug auf Materialität und Farbigkeit der Kirche und konstituiert so ein prägnantes städtebauliches Ensemble.
Über vier Geschosse erstreckt sich das nach dem russischen Komponisten benannte „Tschaikowsky-Haus“. Zum gleichnamigen Platz hin befindet sich im Erd- und ersten Obergeschoss ein Bar-Restaurant. Herz des Hauses ist der für 170 Plätze ausgelegte „Tschaikowsky-Saal“, in dem Konzerte und Veranstaltungen stattfinden. Sein Boden wurde abgesenkt, um ein angemessen hohes Raumvolumen zu erreichen. Im Dachgeschoss sind zudem Pilgerzimmer eingerichtet: Hier werden Gäste beherbergt. Hohe, mit anthrazitfarbenem Zinkblech verkleidete Dachgauben dienen den Zimmern als Lichtquelle und beschirmen gleichzeitig einen kleinen privaten Austritt. Die bewegte dunkle Dachlandschaft kann als moderne, abstrahierte Interpretation jener der benachbarten Kirche mit ihren vielen Nebentürmen gelesen werden.
Hochkant gemauerte Ziegel im Sonderformat
Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Architekten der Ausformulierung der Fassade: Die in Ortbeton errichtete Stahlbetonkonstruktion erhielt eine zweischalige Außenhaut. Oberhalb eines Sockels aus hochkant gesetzten großformatigen Natursteinen beginnt eine Vormauerschale aus ebenfalls hochkant gemauerten Ziegeln.
Eingesetzt wurde ein grauer Klinker der Firma Gima mit den Spezialabmessungen 11,3 Zentimeter Breite mal 24 Zentimeter Höhe mal 11,5 Zenitmeter Tiefe. Für die Eckausbildungen wurden Sonderformate in den entsprechenden Winkeln gefertigt, die einen Mittelgrat aufweisen. Der im Querschnitt ansonsten nahezu quadratische Ziegel wurde mit einer Überbindung von einem halben Stein gemauert.
Seine als „Sondersortierung Tschaikowsky“ bezeichnete natürliche, durchgängige Farbgebung ist auf die Kirche abgestimmt, der Stein weist eine handschlagartige Oberfläche mit Besandung auf. Für die Verfugung wurde ein nahezu gleichfarbiger Mörtel verwendet, der den monolithischen Charakter des Gebäudes unterstreicht; gleichzeitig sorgt die unregelmäßige Oberfläche des Klinkers für ein lebendiges Licht- und Schattenspiel auf den Außenwänden des Tschaikowsky-Hauses.
von Redaktion
Erschienen in Ausgabe: September 2016 | Seite 26