Interview -
Der GAU für den Holzbau
Interview mit Dipl.-Bauing. Jürgen Waßermann von Inthermo
Ober-Ramstadt – Der Messestand des Wärmedämm-Verbundsystem(WDVS)-Anbieters Inthermo war auf der BAU eine gefragter Treffpunkt für Architekten, Planer, Bauhandwerker, Energieberater und Hausbauunternehmer. Inthermo ließ mit bewährten Dämmschutzprodukten und Neuheiten, wie etwa einem neuen Software-Tool für den Brandschutz (Brandschutzrecherche) oder der vorgehängten hinterlüfteten Fassade Inthermo VHF, das Gewerk Fassadendämmung hochleben. Der BauUnternehmer sprach dazu am Messestand mit Dipl.-Bauing. Jürgen Waßermann. Der 56-Jährige beschäftigt sich seit 22 Jahren mit dem Thema Dämmstoffe und leitet seit dreieinhalb Jahren die Technik-Abteilung bei Inthermo. Er sagt: „Ich bleibe meiner Übezeugung treu, dass die ökologischen und die Naturfaserdämmstoffe insbesondere die insgesamt bessere Lösung für Dämmarbeiten sind, als herkömmliche Dämmstoffe aus Schaum bzw. aus Glas- oder Steinwolle“.
DBU: Herr Waßermann, Inthermo bietet neu die Nutzung eines Software-Tools für den Brandschutz an. Was gab dazu den Anlass und welchen Mehrfachnutzen bietet das Tool?
Jürgen Waßermann: Auslöser ist der Umstand, dass wir als Hersteller eines Wärmedämmverbundsystems aus Holzfaser viele Prüfzeugnisse und Gutachten für Brandschutzeigenschaften unserer Produkte haben. In diesen Dokumenten sind – zusammengenommen – jede Menge Varianten mit unterschiedlichen Feuerwiderstandsklassen zu finden, zum Beispiel F90 B oder F30, F90, die in unterschiedlichen Aufbauten dargestellt werden können.
Nun kennen sich zwar die Techniker von Inthermo in unserem Zeugnis-Fundus bestens aus, aber wenn wir die Zeugnisse weitersenden, haben häufig Anfragen, wie etwa ,Wo finde ich denn jetzt eine vernünftige Konstruktion, die meinen Anforderungen entspricht‘.
Deshalb haben wir das Brandschutz-Tool geschrieben, das in einer Datenbank sämtliche Varianten der uns zur Verfügung stehenden Zeugnisse und Aufbauten auflistet, und der Kunde kann jetzt nach diesen Aufbauten recherchieren. Er gibt seine Anforderungen ein, entweder die Feuerwiderstandsklasse oder, was er sich für ein Konstruktionsaufbau vorstellt – mit oder ohne Putz, mit zwei oder ohne Beplankungen, mit Installationsebene, usw. – und dann sucht der Rechner nach dem entsprechendem Aufbau.
DBU: Gibt es dazu schon Rückmeldungen der Kunden?
Jürgen Waßermann: Nein. Wir stellen dieses Tool erstmals vor. Aktuell ist es als Datenbanksystem auf einem Windows-Rechner verfügbar. Es ist aber geplant, es im nächsten halben Jahr im Internet zur Verfügung zu stellen, sodass die Kunden auch online recherchieren können.
DBU: Aber man könnte bis dahin das Tool bei Inthermo anfordern?
Jürgen Waßermann: Wir verschicken die Software auf Anfrage. Wir haben auf dieser Messe erst einmal einen Versuchsballon gestartet, um zu sehen, wie das Feedback ist. Allen Planern und Holzbaufirmen, denen ich es bisher vorstellte, begrüßten das sofort, weil es sehr einfach für sie ist, in diesen Konstruktionen zu suchen.
Was wir auch noch mit diesem Tool vorhaben: Es wird demnächst ein A1-Papier zur DIN 4102-4 geben. Das ist die derzeitige Brandschutz-DIN in Deutschland. Dieses A1-Papier wird Konstruktionen mit Holzfaserplatten enthalten. Das ist ein Novum, das gab es in dieser DIN bisher nicht. Bis die Information über das A1-Papier den Markt durchdrungen hat, wird einige Zeit vergehen. Wir haben deshalb vor, die DIN-Konstruktionen, die es dann mit Holzfaser gibt, in unser Tool zu integrieren, sodass der Nutzer auch über DIN-Konstruktionen recherchieren kann. Das wird sicher ein Alleinstellungsmerkmal dieser Software sein, weil das bisher, so glaube ich, noch keiner hat.
DBU: Welche Systeme bzw. Produkte bietet Inthermo zur Dämmung gerundeter Profile an? Inwieweit profitieren Anwender und Verarbeiter und welcher technischen Voraussetzungen bedarf es dazu in der Fertigung?
Jürgen Waßermann: Wir bieten keine fertigen Systeme für die Anordnung auf einem halbrunden Bauteil an, aber wir bieten technische Lösungen an. Wir wissen, wie es geht. Unsere Platte kann hinten über eine bestimmte Tiefe mit einem bestimmten Abstand geschlitzt werden, sodass man diese – in einem gewissen Sinne – biegen kann. Voraussetzung ist natürlich eine spezielle Unterkonstruktion, also eine relativ enge Lattung, die dann die Anordnung dieser gebogenen Platten auf der Lattung zulässt. Wir haben einige Firmen, die das schon gemacht haben. Zum Beispiel hat die Firma pro clima in Schwetzingen im vergangenen Jahr ein neues Bürogebäude in Holzrahmenbauweise gebaut, welches ein halbrundes Portal hat. Unser WDV-System aus Holzfaser wurde vom beauftragten Handwerker fachlich hervorragend auf dem gebogenen Baukörper verarbeitet.
Auf der Inthermo-Website können Architekten Detailzeichnungen für die Ausführung von Wärmedämmverbundsystemen, vorgehängten hinterlüfteten Fassaden oder Innendämmungen als PDF herunterladen. Wie stark wird dieses Angebot genutzt?
Jürgen Waßermann: Von den Holzbauplanern wird es sehr stark nachgefragt, weil sie immer gern eine fertige Lösung nutzen möchten – wie etwa unsere speziellen Lösungen für den Sockelbereich oder für die Unterfensterbankabdichtung. Da haben wir fertige, komplette Detailzeichnungen, die sehr häufig von den Architekten abgefragt werden. Auch teils nur diese, weil die Architekten über normale Zeichnungen selbst verfügen. Sie fragen uns gezielt nach den speziellen Detailaufbauten und wir schicken ihnen diese zu oder sie laden sich selbst die Zeichnungen im Internet herunter.
DBU: Inthermo hat eine neue Stelle des Wassereintritts ins Fenster über die Fensterrahmen definiert …
Jürgen Waßermann: Fenster werden ja aus Profilen hergestellt, die zum Beispiel in den Ecken auf Gehrung zugeschnitten werden, und wenn man so ein Profil einmal durchschneidet, dann sieht man mehrere Kammern. Davon sind ein oder zwei für die Entwässerung zuständig, und die müssen natürlich autark bleiben.
Wenn aber die Trennungen zwischen den einzelnen Kammern bei der Fertigung nicht optimal zusammengeschweißt werden, dann wird das Wasser, was eigentlich nach vorne entwässern soll, in den Fensterkörper geleitet und läuft dann nach links und rechts über die Gehrung in die Konstruktion hinein, wo das Fenster eingebaut ist. Und wenn dann unter dem Fenster keine vernünftige Abdichtung ist, dann hat man – speziell im Holzbau – einen Bauschaden zu erwarten.
DBU: Wie lässt sich dem von Herstellerseite entgegenwirken?
Jürgen Waßermann: Das lässt sich eigentlich nur im Gespräch mit der Fensterindustrie beziehungsweise mit der Pofilindustrie lösen, die technologische Maßnahmen ergreifen müssen, damit diese Stege der Entwässerungskammern in dem Fensterprofil ordentlich verschweißt werden. Das heilt als einziges diese Misere.
DBU: Welche Ausmaße hat dieses Problem aus Ihrer Sicht?
Jürgen Waßermann: Gewaltige. Bei einem Holzbau ist das der GAU schlechthin, weil dann die Feuchtigkeiten in die ökologischen Dämmstoffe einsickern oder über die Fugen aus dem ersten Geschoss bis sogar hinunter auf die Fußschwelle im Erdgeschoss laufen können. Und: Wenn man da unten einen Schaden hat, da denkt eigentlich niemand, dass das Fenster darüber daran schuld sein könnte. Im schlimmsten Fall müssen dann im EG die tragenden Holzteile mit hohem Aufwand ausgewechselt werden. Das ist sehr kostspielig. Ein vier- oder fünfstelliger Geldbetrag für die Reparatur ist da nichts. Einmal mehr ein Argument für die genaue Beachtung unserer Detaillösung zur Unterfensterbankabdichtung.
DBU: Dank einer besseren Hanffaserverarbeitung lassen Sie inzwischen 60 Kilogramm Hanf pro Kubikmeter statt 40 Kilogramm Hanf pro Kubikmeter in entsprechende Platten einbringen. Was bringt das?
Jürgen Waßermann: Die 60 Kilogramm als Raumgewicht sind als neue Eigenschaft aufgenommen worden, weil die bauphysikalische Eigenschaften mit diesem hohen Raumgewicht im Bereich Brandschutz und vor allem Schallschutz erheblich verbessert werden. Gerade naturfasergedämmte Bauteile wie Trennwände oder Decken benötigen in gewissen Einbausituationen auch vernünftigen Schallschutz. Und eine schwerere Platte macht viel besseren Schallschutz. Hersteller dieser Platten ist die Naporo GmbH in Österreich, die zur DAW-Firmengruppe zählt.
DBU: Inthermo stellt auf der BAU als Konstruktionsneuheit das VHF-System vor. Was daran ist neu?
Jürgen Waßermann: Das Besondere an unserer vorgehängten gelüfteten Fassade ist die benutzte Putzträgerplatte, die wir aufbringen. Das ist eine neue Schaumglasplatte, die in der Baustoffklasse A2 s1,d0, also nichtbrennbar, klassifiziert ist. Noch dazu kommt, dass diese Platte wie eine Gipskartonplatte verarbeitet werden kann. Das heißt, im Außenbereich kann diese Platte mit einem Cuttermesser zugeschnitten und aufgebracht werden. Für die Handwerker eine erhebliche Erleichterung. Das dritte Alleinstellungsmerkmal: Bei üblichen Fassadenplattenförmigen Bekleidungen, die später verputzt werden, müssen die Fugen zwischen den Platten mit einem Schleppstreifen verspachtelt werden. Auch das ist bei dieser Platte nicht notwendig, weil die bauphysikalischen Eigenschaften wie etwa Ausdehnungspotentiale so gutmütig sind, dass die Fugen keine Schäden, zum Beispiel im späteren Putz, hervorrufen. Das hat natürlich erheblichen Einfluss auf die Lohn- und Materialkosten bei Anbringung der Fassade.
Herr Waßermann, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte BauUnternehmer-Redakteur Dietmar Puttins.
Erschienen in Ausgabe: Februar 2017 | Seite 27