von Redaktion

"Man muss endlich ins Machen kommen!"

Baustoffindustrie fordert politische Priorität für Bauen und Wohnen ein

Seit 23 Monaten verzeichnet die Baustoff-Steine-Erden-Industrie teilweise deutliche Produktionsrückgänge. Anlässlich seiner Jahrestagung fordert der Dachverband der Branche, die Vorschläge zur Bewältigung der Baukrise endlich konsequent anzugehen.

Im Wohnungsbau befinden wir uns im freien Fall“, erklärt Dr. Dominik von Achten, Präsident des Bundesverbandes Baustoffe – Steine und Erden (bbs), zum Auftakt der Mitgliederversammlung 2024 in Berlin. Auch wenn 2023 noch 294.000 neue Wohnungen fertiggestellt worden sind, sagen die abnehmenden Baugenehmigungen, Auftragseingänge und Umsätze im Bauhauptgewerbe für 2025 und 2026 eine deutlich verringerte Bautätigkeit voraus.

Weniger Baugenehmigungen - verringerte Bautätigkeit

Auch die seit 23 Monaten rückläufige Produktion von Steine-Erden-Gütern – zuletzt im ersten Quartal 2024 um -15,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum – ist ein deutliches Warnsignal. Allein von Januar bis März 2024 mussten Branchen, die hauptsächlich den Wohnungsbau beliefern, Rückgänge von 30 bis 60 Prozent im Vergleich zu den ohnehin schwachen Vorjahreswerten verkraften. Auch in den Bereichen Sanierung und Tiefbau ist die Produktion nach Heizungsgesetz-Debatten und Haushaltskrisen rückläufig. „Schon in den Haushaltsverhandlungen für 2025 wird sich zeigen, welche Priorität der Bau in der Bundesregierung wirklich genießt“, sagt von Achten. So drohe im Bereich Verkehrsinfrastruktur angesichts der schwierigen Kassenlage und trotz eines immensen Investitionsstaus die Kürzung der Autobahninvestitionen des Bundes. Hinzu kommen erhebliche Bedarfe bei Brücken, Schienenwegen und Wasserstraßen.

 

Die Folgen der schwachen Baukonjunktur werden für die Gesellschaft noch spürbarer werden, warnte von Achten. „Die Bevölkerung wächst und die Baukonjunktur geht zurück. Das bezahlbare Wohnen rückt unter diesen Rahmenbedingungen für viele Menschen in immer weitere Ferne.“ Es brauche dringend Anreize, etwa durch breit angelegte Zinsverbilligungsprogramme, deutlich mehr ausgewiesenes Bauland und signifikante Freibeträge bei der Grunderwerbssteuer für das selbst genutzte Eigenheim. Auch im Bereich energetischer Gebäudesanierung bestehe erheblicher Handlungsbedarf: Alle Analysen zeigen, dass die Sanierungsquote von aktuell 0,7 Prozent verdreifacht werden müsse, damit der Gebäudesektor seine Klimaziele noch erreichen kann. Um Deutschlands Infrastruktur fit für die Zukunft zu machen, seien außerdem erhebliche Investitionen der öffentlichen Hand in die Verkehrswege, aber auch in die soziale Infrastruktur erforderlich: Die größte Volkswirtschaft Europas könne sich als starke Exportnation und zentrales Transitland keine maroden Straßen, Schienen- und Wasserwege leisten. Die Investitionen in Erhaltung und Ausbau müssten daher erhöht und der Bau weiter beschleunigt werden. Generell brauche es, so von Achten, keine neuen Ideen. Konzepte, wie schneller, günstiger und nachhaltiger gebaut werden kann, seien längst klar, man müssen nun „endlich ins Machen kommen“.

Parlamentarischer Abend im Zeichen von Baukrise und Transformation

Erstmals fand im Rahmen der bbs-Jahrestagung neben der Mitgliederversammlung auch ein Parlamentarischer Abend statt. Unter der Moderation von Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber diskutierte Präsident von Achten vor rund 120 Gästen im Zollpackhof Berlin mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), sowie dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, über Möglichkeiten, die Baukonjunktur wieder anzukurbeln und die nächsten Etappenziele der industriellen Transformation zu erreichen. Alle Diskutanten waren sich einig, dass die Politik mehr Verlässlichkeit und Planungssicherheit gewährleisten muss, gerade auch bei der Förderung und Finanzierung von Bauvorhaben durch die öffentliche Hand.

 

Für die Transformation habe die Bundesregierung, so von Achten, in der laufenden Legislaturperiode viele wichtige Weichen gestellt, darunter den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien und die perspektivische Öffnung zur Speicherung von CO2 unter dem Meeresboden der Nordsee. Dennoch reichen die Bemühungen nicht aus, um das Ziel Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. „Wir beschleunigen zwar mit ersten guten Ansätzen, müssen aber noch einen Zahn zulegen, um rechtzeitig ins Ziel zu gelangen“, sagte von Achten in seiner Ansprache. Große Herausforderungen wurden hinsichtlich der zu hohen Energiekosten identifiziert. Zwar scheine die Energiekrise überwunden, doch gerade die Energienebenkosten seien im internationalen Vergleich viel zu hoch. Zudem drohen weitere Kostenbelastungen aufgrund des Netzausbaus: „Die steigenden Netzentgelte bedeuten Mehrkosten von rund 240 Millionen Euro für unsere Branche allein in diesem Jahr. Diese Summe wird weiter ansteigen, wenn nicht gegengesteuert wird.“ Laut von Achten seien günstige Energiekosten Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche nachhaltige Transformation, da nur so Wettbewerbsfähigkeit und langfristige Investitionssicherheit gewährleistet seien.

Bild: Dr. Dominik von Achten, bbs-Präsident (Foto: Heidelberg Materials).

 

 

von Redaktion

Erschienen in Ausgabe: online

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