JCB -
Englische Revolution
Der britische Baumaschinenhersteller JCB hat einen völlig neu konzipierten Bagger entwickelt. Die Maschine hat das Potenzial für eine Revolution.
DBU/Rocester (Mittelengland)/Berlin – Die Grafschaft Stafford-shire liegt im Herzen Englands. Hier, in der kleinen Ortschaft Rocester, hat der britische Baumaschinenkonzern JCB seinen Hauptsitz. Ringsum wellt sich das Land sanft zu immergrünen Hügeln. Ein Idyll. Und doch hat sich genau hier eine Revolution ereignet. „Auf diesen Tag haben wir drei Jahre zugearbeitet“, sagt Tim Burnhope, Chief Innovation and Growth Officer bei JCB. Es ist der 15. März 2016, der Vorhang hebt sich und die Welt sieht zum ersten Mal den Hydradig – ein vollkommen neu konzipierter Bagger, der das Potenzial besitzt, die Baumaschinenwelt umzukrempeln.
Revolutionäre und geniale Innovationen haben eine Gemeinsamkeit: allesamt lassen sich leicht und mit wenigen Worten beschreiben. Das gelingt auch JCB-Innovationsmanager Burnhope, als er die neue Maschine präsentiert. „Der Großteil der Technik, die sonst im Oberwagen eines Baggers untergebracht ist, haben wir beim Hydradig im Unterwagen positioniert“, so Burnhope. „Das war eine große Herausforderung für unsere Ingenieure.“ Diese, dem Anschein nach, simple Neuerung hat gravierende, entscheidende, ja revolutionäre Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und die Anwendungsbreite der neuen Maschine. Der Hydradig erfüllt die fünf Forderungen, die die Kunden aus der Baubranche derzeit an innovative Bagger stellen: die Maschine bietet beste Sicht, höchste Stabilität, Mobilität, Wendigkeit und Wartungsfreundlichkeit.
Beste Sicht
Durch den im Unterwagen verbauten Antriebsstrang war es JCB möglich, eine Fahrerkabine für den Hydradig zu entwickeln, die eine 360-Grad-Sicht gewährt. Der Fahrer hat alle vier Reifen der Maschine im Blick. Spiegel und Rückfahrkameras sind nicht länger nötig.
Stabilität
Das entscheidende Merkmal für die Stabilität einer Maschine ist ihr Schwerpunkt. Je tiefer dieser liegt, umso stabiler ist eine Maschine. Dadurch, dass beim Hydradig Motor, Flüssigkeitstanks, Hydraulikpumpen und Antriebsstrang im Unterwagen eingebaut sind, liegt der Schwerpunkt rund 1,5 Meter tiefer als bei einer vergleichbaren Maschine aus der 10-Tonnen-Klasse. Das befähigt die Maschine, bei Doppelbereifung Gewichte bis zu einer Tonne um 360 Grad zu schwenken. Zudem ist die Maschine 15 Zentimeter niedriger als vergleichbare Maschinen. Sie lässt sich auf einem regulären Planensattelauflieger transportieren.
Mobilität
Mit dem niedrigen Schwerpunkt und der damit verbundenen Stabilität darf die Maschine bis zu 40 Stundenkilometer schnell fahren. Zusammen mit dem stufenlosen hydrostatischen Antrieb kann die Maschine ganz schnell zwischen verschiedenen Baustelle hin und her wechseln. Das Gewicht der Maschine ruht annäherungsweise zu gleichen Teilen auf den beiden Achsen. Dadurch fährt die Maschine viel ruhiger als andere Bagger. Das bekannte Wippen während der Fahrt unterbleibt fast völlig.
Zudem bietet JCB für den Hydradig einen passgenauen Anhänger. Mit diesem kann der Fahrer Anbaugeräte, Löffel und sonstiges benötigtes Material zur Baustelle transportieren.
Wendigkeit
Der Hydradig ist mit drei Standard-Lenkarten ausgestattet: Vorderradlenkung, Allradlenkung und Handegang-Lenkung. Optional verfügt der Hydradig auch über eine Rückwärts-Steuerfunktion. Diese stellt die Richtung der gelenkten Räder um, wenn das Lenkrad um 180 Grad gedreht wird. Zudem verfügt der Hydradig mit vier Metern über einen extrem engen Wendekreis.
All das und der permanente hydrostatische Antrieb sorgen für ein Maximun an Traktion und Wendigkeit – selbst auf schwierigem Terrain.
Wartungsfreundlichkeit
Und auch in Sachen Wartungsfreundlichkeit erweist sich das Konstruktionskonzept des Hydradigs als riesiger Vorteil. So lassen sich Motor und Kühlung über große Öffnungen im Stahlgehäuse vom Boden aus erreichen. Das erleichtert die täglichen Kontrollen sowie eventuelle Wartungsarbeiten enorm. Eine Absturz- oder Abrutschgefahr besteht nicht mehr, die Arbeiten erfolgen im sicheren Stand vom Boden aus. Alle Bolzen (sowohl am Ausleger als auch im Hubraum) sind aus nitriertem Stahl gefertigt, sodass die Schmierintervalle auf 500 Stunden anwachsen. Unterm Strich sorgt all das für verringerte Ausfallzeiten.
Diese Eigenschaften machen den Hydradig zur idealen Maschine für beengte urbane Umgebungen und für Baustellen an viel befahrenen Straßen.
Ein weißes Blatt Papier
Aus der Sicht von JCB-Innovationsmanager Tim Burnhope ist es ein Privileg, eine völlig neue Maschine entwickeln zu dürfen. „Wir haben mit einem weißen Blatt Papier angefangen“, sagt Burnhope. Einzig die fünf Anforderungen der Kunden (siehe oben) hätten am Ausgangspunkt der Produktentwicklung gestanden.
Initiator des Projekt war JCB-Vorstandsvorsitzender Lord Anthony Bamford. Der Lord, Mitglied des britischen Oberhauses auf Lebenszeit, schildert mit folgenden Worten, welchen Auftrag er den JCB Ingenieuren mit auf den Weg gegeben hatte: Sie sollten „eine Lösung jenseits aller Konventionen zu finden.“
Bei der Präsentation der Maschine zeigt sich JCB-Vorstandschef Lord Bamford begeistert von der Maschine. Das Entwicklungsteam habe wahrlich großartiges geleistet. „Der Hydradig ist eine echte Innovation.“ Die Maschine werde die Branche verändern, so Lord Bamford.
Innovation hat Tradition bei JCB
Tim Burnhope erinnert anlässlich der Präsentation des Hydradig an eine Reihe revolutionärer Maschinen aus dem Hause JCB. Im Jahr 1953 hatte das Unternehmen aus Rocester den weltweit ersten Radlader am Markt eingeführt. Bis heute ist JCB Marktführer in diesem Segment.
1977 folgte der weltweit erste Teleskoplader - ebenfalls entwickelt, produziert und vermarktet von JCB. Und auch bei diesem Maschinentyp ist JCB laut Burnhope bis heute weltweit die Nummer eins.
Entfalten könne JCB diese enorme Innovationskraft nur, weil der Weltkonzern bis heute ein Familienunternehmen sei. Wegen der Risikoabwägunen seien solche Projekte bei kapitalmarktgetriebenen Konzernen nicht zu realisieren, so Burnhope. „Aber JCB ist aktuell so innovativ wie noch niemals zuvor.“.
Stark in Indien
Graeme Macdonald, CEO bei JCB, nutzte die Präsentation des Hydradigs für einen Blick auf den aktuellen globalen Baumaschinenmarkt. Besondere Sorgen bereite JCB die wirtschaftliche Entwicklung der Bric-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China). Noch vor wenigen Jahren galten diese aufstrebenden Wirtschaftsmächte als die Garanten eines dauerhaften globalen Aufschwungs – heute ist die Situation eine andere. Einzig der indische Baumaschinenmarkt wächst noch.
„Der brasilianische Baumaschinenmarkt ist im vergangenen Jahr um 43 Prozent eingebrochen“, berichtet Macdonald. In Russland sei der Markt sogar um 63 Prozent geschrumpft, in China um 45 Prozent. Überhaupt ist der Baumaschinenmarkt der Volksrepublik seit Jahren rückläufig. Heute erreicht er lediglich das Niveau von vor elf Jahren. Dabei war China noch im Jahr 2011 der weltweit bestimmende Baumaschinenmarkt. Jede zweite Baumaschinen, die damals auf der Welt verkauft wurde, fand in China ihren neuen Besitzer.
Laut JCB-Manager Mcdonald gibt es keine Aussicht auf eine grundlegende konjunkturelle Besserung in Russland, Brasilien und China. Für JCB ist traditionell aber der indische besonders bedeutsam. Auf dem Subkontinent unterhält JCB drei große Werke - in Delhi, Pune und in Jaipur. In den Standort Jaipur hat der britsche Konzern vor kurzem 62 Mio. britische Pfund investiert. Heiko Metzger
JCB auf der bauma 2016: Freigelände FM.713/1
Erschienen in Ausgabe: April 2016 | Seite 7