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Bauwirtschaft hadert mit Entsende-Reform

Zentralverband: Neufassung widerspricht ursprünglicher Zielsetzung. Überwachung umstritten

DBU/Berlin – Arbeitgeber und Arbeitnehmer streiten um die Bewertung der reformierten EU-Entsenderichtlinie. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) lobt die Entscheidung der EU-Parlamentarier. Durch sie werde Europa sozialer, so der IG-Bau-Bundesvorsitzende Robert Feiger. Die Arbeitgeberseite hält die Neuregelung indes für „überzogen“. Zudem sei die beschlossenen Vorschriften „in der Praxis schwer zu kontrollieren“, so Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutschen Baugewerbe (ZDB).

Ende Mai hat das EU-Parlament per Mehrheitsvotum eine Reform der Entsenderichtlinie beschlossen. Auf den Reforminhalt hatten sich bereits Anfang März Vertreter des Parlaments mit der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten verständigt. Die belgische EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen sagte damals, die Rechtsreform folge dem Grundsatz „gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit am gleichen Ort“. Bislang stand Arbeitnehmern aus dem EU-Ausland nur der jeweils gültige Mindestlohn zu. Durch die Reform erhalten entsandte Arbeitnehmer künftig alle gültigen Tarifleistungen, also auch Weihnachts-, Urlaubs- oder Schlechtwettergeld.

Völlig überzogen
Die Unternehmerverbände kritisieren die Neuregelung scharf. „Diese steht dem ursprünglichen Ziel der Richtlinie entgegen“, sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Pakleppa. Das ursprüngliche Ziel der Entsenderichtlinie sei gewesen, den Arbeitnehmern ein Mindestmaß an Schutz zukommen zu lassen. Dass die reformierte Entsenderichtlinie neben dem Mindestlohn noch weitere Vergütungskompetenten einbezieht, steht für Pakleppa im Widerspruch um Ursprungsziel.
Zudem verweist Pakleppa auf die aus seiner Sicht schwierige Überwachung des neuen Reglements. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) sei bereits heute nicht in der Lage, die Einhaltung des Mindestlohns flächendeckend zu kontrollieren. Der Arbeitgeberverband befürchtet eine Überforderung der FKS durch Kontrollen weiterer Vergütungsbestandteile wie der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge.

Besserer Schutz vor Ausbeutung
Die IG Bau bewertet die rechtliche Neuordung der Arbeitnehmer-Entsendungen völlig anders als der ZDB. „Mit der überarbeiteten Entsenderichtlinie verbessert sich die grenzüberschreitende Arbeit vieler Beschäftigter“, schreibt die IG Bau. Aus Gewerkschaftssicht schützt die Neufassung der Richtlinie innerhalb der EU entsandte Arbeitnehmer besser vor „Ausbeutung“. Zudem werde nun Briefkastenfirmen und anderen „kriminellen Geschäftemachern das Handwerk“ erschwert.
Die Reform begrenzt auch die Dauer der Entsendung. Die Obergrenze liegt nun bei zwölf Monaten und kann im Ausnahmefall um weitere sechs Monate verlängert werden. Im Anschluss gelten für die entsandten Beschäftigten sämtliche arbeitsrechtlichen Vorschriften des Gastlandes.
Die EU-Staaten sind verpflichtet die Bestimmungen der überarbeitenden Richtlinie in nationales Recht zu überführen.
Die bisherige Fassung der Richtlinie war im Dezember 1996 vom EU-Parlament beschlossenen worden und seit Februar 1997 in Kraft. In ihrem Rechtsrahmen waren im vergangenen Jahr laut Soka-Bau (Sozialkassen der Bauwirtschaft) rund 85.000 Arbeitnehmer von ausländischen Baubetrieben auf deutschen Baustellen tätig, fünf Prozent mehr als 2016. Das Zahlen basieren auf der Auswertung der Urlaubs-Meldungen an Soka-Bau. Die Zahl der entsandten Bauarbeitnehmer ist in der vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und hat sich seit 2009 mehr als verdoppelt.

Erschienen in Ausgabe: Juli 2018 | Seite 1

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