von Jasch Zacharias

Fachkräftemangel verschärft sich auf Baustellen im Osten

Gründe sind die Überalterung der Belegschaft und Landflucht

DBU/Berlin – Trotz steigender Ausbildungszahlen und einem nach wie vor beispiellosen Bauboom ist der Fachkräftemangel noch immer der größte Bremsklotz für mehr Wachstum in der Bauwirtschaft. Durch das sukzessive altersbedingte Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge könnte das Problem künftig sogar die Existenz vieler Bau- und Handwerksbetriebe bedrohen – insbesondere in den strukturschwachen neuen Bundesländern.

Deutschlandweit ist die Zahl der Auszubildenden nach Angaben der Soka-Bau (Sozialkassen der Bauwirtschaft) in der Baubranche um 3,5 Prozent nach oben gegangen. Im Hochbau um 7,5 Prozent und im Tiefbau gar um acht Prozent. Dennoch reichen diese Zuwächse bei weitem nicht aus, um die altersbedingten Abgänge der geburtenstarken Jahrgänge aus der Nachkriegs- und Babyboomerzeit zu kompensieren.

Eklatant macht sich darüber hinaus die Landflucht vieler junger Menschen aus strukturschwachen Regionen bemerkbar. Insbesondere in den östlichen Bundesländern. Dort, wo keine hippe Großstadt in der Nähe ist und die Aussichten auf eine attraktive Berufskarriere mit höherem Einkommen ohnehin schlechter ist als in den vermeintlich so attraktiven Ballungszentren.
„Viele junge Leute haben schlicht keine Lust, bei jeder Wetterlage zu schuften. Die gehen lieber studieren, auch wenn zurzeit auf den Baustellen die Arbeit nicht ausgeht“, sagt dazu der Polier eines Brandenburger Bauunternehmens, der namentlich nicht genannt werden möchte. Ähnliches stellten in der Vergangenheit bereits die jeweiligen Baufachverbände in ihren Expertisen wie auch die Industrie- und Handwerkskammer (IHK) fest.

Bestes Beispiel für existenzbedrohlichen Fachkräftemangel in den neuen Bundesländern ist Sachsen-Anhalt. Dort gehen nach Informationen des Bauindustrieverbands Ost bis zum Jahr 2030 mehr als 10.000 Fachkräfte in Rente. Gleichzeitig braucht die Branche, bedingt durch den Bauboom, volle Auftragsbücher und jede Menge anstehender privater und öffentlicher Großbauprojekte mindestens 11.000 zusätzlicher Nachwuchskräfte. Wie zum Beispiel für den Strukturwandel in der Lausitz, im Straßen- und Brückenbau und für die Modernisierung der Kanalisation. Ein Spagat, der kaum zu leisten ist. „Unsere Belegschaften sind im Branchenvergleich relativ alt. Bis 2030 wird jeder vierte gewerbliche Arbeitnehmer unsere Unternehmen aus Altersgründen verlassen“, warnt Wolfgang Finck, Präsident des Bauindustrieverbands Ost (BIVO). Um diese Lücke zu füllen, werden nach BIVO-Angaben in den kommenden zehn Jahren im deutschen Baugewerbe annähernd 260.000 gewerbliche Arbeitnehmer benötigt. Die Bauunternehmen in Ostdeutschland haben dabei allein einen Bedarf von knapp 70.000 Arbeitnehmern. Schon heute bewirke der Fachkräftemangel, dass es bei jedem fünften ostdeutschen Bauunternehmen zur Behinderung der Bautätigkeit komme – nur jedes dritte Unternehmen konnte 2018 den akuten Personalbedarf decken, so Finck.

Eine Konjunkturumfrage des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), der mehr als 35.000 mittelständische, meist inhabergeführte Bauunternehmen vertritt, kommt zu dem Ergebnis, dass der Fachkräftemangel trotz solider Geschäftslage eine höhere Bautätigkeit behindere. Obwohl die Unternehmen in den letzten Jahren bereits deutlich mehr Personal eingestellt haben, suchen sie weiter Fachkräfte.

Zwar gelingt es den Unternehmen auch wieder mehr Ausbildungsplätze zu besetzen, insgesamt aber nicht in dem erhofften Umfang, heißt es beim ZDB. Für die Unternehmen ist es laut BIVO-Präsident Finck eine existenzielle Frage, auch in Zukunft gut ausgebildete Fachkräfte zu haben. Aber es sei mittlerweile auch zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe geworden, für die immer komplexer werdenden Bauaufgaben Personal zu finden. Die Bauwirtschaft in Deutschland kämpft indes bundesweit engagiert um mehr Fachkräfte. Dabei scheinen bundesweite Kampagnen wie die „Bau - Dein Ding“ angesichts von der Arbeitsagentur für Arbeit (BA) im Jahr 2019 dokumentierten steigender Auszubildendenzahlen in den Bauberufen erste Früchte zu tragen. Für das Bundesarbeitsministerium ist indes das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein elementares Instrument zur Personalgewinnung. Es fußt laut Staatssekretärin Leonie Gebers auf drei Säulen: Hebung des inländischen Potentials mittels Qualifizierung, Anwerbung von EU-Ausländern sowie Anwerbung von Personal aus Drittstaaten. Bis das Gesetz am 1. März 2020 in Kraft tritt, arbeite das Ministerium an Verwaltungsverfahren wie der Visaerteilung oder der Anerkennung von Qualifikationen. Um die Verfahren zu vereinfachen, will das Arbeitsministerium ferner einen zentralen Service für die Anerkennung von Berufsqualifikationen bei der Bundesagentur für Arbeit einrichten. Denn derzeit gibt es in ganz Deutschland dafür lediglich. 1.500 Stellen.

Viele Bau- und Handwerksbetriebe begrüßen diese Initiative der Bundesregierung. Laut Klaus-Dieter Müller, Präsident der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg zählen zugewanderte Auszubildende zu den zuverlässigen auf dem verbandseigenen Lehrbauhof in Berlin. „Der Fachkräftemangel verschärft sich in der Bauwirtschaft dramatisch. Daher müssen wir alles tun, um die Chancen der Zuwanderung für heimische Betriebe zu nutzen“, sagt er.

von Jasch Zacharias

Erschienen in Ausgabe: Seite 5| Oktober 2019

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