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"Bierfete 4.0": FG Bau weist Mitgliedern den Weg in die digitale Ära

Bierfete 4.0: Sommerfest versetzt Branche frische Digitalisierung-Impulse. Berlin plant BIM-Referenzprojekt. Frisch & Faust für Ausbildungsarbeit geehrt

Am Lehrbauhof der Fachgemeinschaft Bau in Berlin-Marienfelde werden seit 61 Jahren angehende Baufachkräfte ausgebildet. Vor 40 Jahren hat der Verband hier die erste Mariendorfer Bierfete gefeiert.  (Foto: Heiko Metzger)
Am Lehrbauhof der Fachgemeinschaft Bau in Berlin-Marienfelde werden seit 61 Jahren angehende Baufachkräfte ausgebildet. Vor 40 Jahren hat der Verband hier die erste Mariendorfer Bierfete gefeiert. (Foto: Heiko Metzger)

DBU/Berlin–Marienfelde – Die diesjährige Marienfelder Bierfete hat Bauprofis und Digitalisierungs-Experten der Hauptstadtregion zusammengebracht. 40 Jahre nach der ersten Bierfete hat das Sommerfest der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg (FG Bau) erneut bewiesen, dass es mehr ist als „nur eine lieb gewonnene Tradition“; in diesem Jahr hat sie sich als Impulsgeber der Digitalisierung erwiesen. Die FG Bau hatte handverlesene Start-up-Unternehmer der IT-Branche eingeladen, ihre bau-relevanten Produkte und Lösungen den FG-Bau-Mitgliedern vorzustellen. Ein voller Erfolg. Bei solidem Bauwetter kamen 500 Gäste auf den Lehrbauhof des Verbandes. Viele von ihnen nutzten die Bierfete für erste Erfahrungen mit Zukunftstechnologien: Sie ließen eine Drohne aufsteigen und steuerten einen E-Radlader über das Lehrbauhofgelände.

Jörg Greinert (l.), Geschäftsführer des Berliner Unternehmens touchwert stellt FG-Bau-Präsident Müller (2.v.l.), Senatorin Pop (3.v.l), Brandenburgs Infrastrukturministerin Schneider (2.v.r.) und FG-Hauptgeschäftsführerin Dr. Schreiner die „Smartstele“ vor.    (Foto: Heiko Metzger)
Jörg Greinert (l.), Geschäftsführer des Berliner Unternehmens touchwert stellt FG-Bau-Präsident Müller (2.v.l.), Senatorin Pop (3.v.l), Brandenburgs Infrastrukturministerin Schneider (2.v.r.) und FG-Hauptgeschäftsführerin Dr. Schreiner die „Smartstele“ vor. (Foto: Heiko Metzger)

Die Bierfete ist seit vielen Jahren der größte Branchentreff der Re­gion Berlin-Brandenburg. Nirgendwo sonst kommen so viele Spitzenvertreter der regionalen Bauwirtschaft zusammen wie am Bierfeten-Abend in Berlin-Marienfelde. Der FG-Bau-Event ist ein Ideen-Markt, eine Tauschbörse für Informationen. Unschätzbar wertvoll für die zumeist kleinen und mittleren Mitgliedsbetriebe der FG Bau.
Die Strahlkraft der Bierfete reicht bis weit über die Regionsgrenzen. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes, fand sich ebenso unter den Gästen wie Marcus Becker, seines Zeichens Vizepräsident des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie sowie Präsident des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg.
Festrednerinnen des Abend waren Romona Pop, Bürgermeisterin von Berlin und im Senat der Stadt zuständig für Wirtschaft, Energie und Betriebe (Grüne), und Katrin Schneider, brandenburgische SPD-Landesministerin für Infrastruktur und Landesplanung. Außerdem waren zahlreiche Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses sowie des brandenburgischen Landtages nach Marienfelde gekommen.

FG-Präsident Müller (r.) beglückwünscht Dipl.-Ing. Thomas Frisch. Sein Unternehmen, Frisch & Faust Tiefbau, ist der beste Ausbildungsbetrieb Berlins seiner Größenklasse.   (Foto: Heiko Metzger)
FG-Präsident Müller (r.) beglückwünscht Dipl.-Ing. Thomas Frisch. Sein Unternehmen, Frisch & Faust Tiefbau, ist der beste Ausbildungsbetrieb Berlins seiner Größenklasse. (Foto: Heiko Metzger)

Klaus-Dieter Müller, Stuckateurmeister und Präsident der Fachgemeinschaft Bau, eröffnete den Abend mit einem kurzen Blick über die Historie der Bierfete. „Vor 40 Jahren wurde hier, auf dem Lehrbauhof in Marienfelde, die erste Bierfete gefeiert.“ Mit einem Schmunzeln erinnerte Müller an die Umbenennung des Events in „Baufete“. Doch der neue Name blieb nur ein Intermezzo. Bereits zwei Jahre nach dem Umbenennungs­beschluss kehrte der Verband zum ursprünglichen Namen seines Sommersfests zurück. „Die Bierfete ist eben die Bierfete“, so Verbandspräsident Müller.
Schnell wendete Müller den Blick in die Zukunft. „Oft wird befürchtet, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichtet. Doch für die Bauwirtschaft ist das Risiko sehr gering.“ Müller betonte die Chancen der Digitalisierung und verriet das Ziel seines Verbandes, diese voranzutreiben. „Wir kümmern uns um die Digitalisierung der Bauwirtschaft.“ Das aktive Engagement seines Verbandes begründet Müller mit der Mitgliederstruktur der FG Bau. „Wir sind die Heimat von mittleren und ganz kleinen Unternehmen.“ Da diese im Regelfall keine freie Ressourcen für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen haben, „brauchen die Unternehmen die Unterstüzung unseres Verbandes“, so FG-Bau-Präsident Müller.

Digitalisierung der Mitarbeitergewinnung
Laut Müller beschert die Digitalisierung gerade bei der Nachwuchsgewinnung schon in der kurzen Frist Vorteile. „Die jungen Menschen sprechen die Sprache der Digitalisierung.“ Müller fordert die Verbandsunternehmen auf, die „gleiche Sprache zu sprechen“ wie die junge Generation und zum Beispiel über soziale Medien die jungen Menschen anzusprechen. Auch die FG Bau werde diesen Weg beschreiten. „Unseren ersten Schritt hierzu sind wir auf der diesjährigen bautec gegangen.“
Auf der Berliner Baufachmesse hatte die Fachgemeinschaft einen Fahrsimulator aufgestellt, der viele junge Messebesucher auf den Stand der FG Bau lockte. „Unser erster digitaler Aufschlag war ein sehr großer Erfolg“, so Müller.
Wie gute Nachwuchsarbeit aussehen kann, zeigen zwei FG-Bau-Mitgliedsunternehmen: Die Viellech­ner Dachdeckermeister GmbH aus Berlin-Tempelhof und die Frisch + Faust Tiefbau GmbH aus Berlin-Niederschönhausen. Die Betriebe wurden für ihre Leistungen im Ausbildungsbereich als beste Ausbildungsbetriebe Berlins in der jeweiligen Betriebsgrößen-Kategorie ausgezeichnet. Dipl.-Ing. Thomas Frisch, geschäftsführender Gesellschafter von Frisch + Faust Tiefbau, nahm die Glückwünsche der Fachgemeinschaft von Verbandspräsident Müller auf der Bierfete entgegen. An seine Verbandskollegen gerichtet appellierte der erfolgreiche Berliner Bauunternehmer: „Bildet aus!“ Frisch nannte die Berufsausbildung einen informellen Generationenvertrag, der die Unternehmen zur Ausbildung verpflichte.

Handverlesene IT-Aussteller
Das Konzept der diesjährigen Bierfete entstand unter der Ägide von FG-Bau-Hauptgeschäftsführerin Dr. Manja Schreiner, die die Tagesschäfte des Verbandes seit Anfang des Jahres führt. Unter ihrer Leitung hat das Thema „Digitalisierung der Bauwirtschaft“ einen deutlichen Bedeutungszuwachs innerhalb der FG-Bau-Verbandsarbeiterfahren. Erstmals war die Bierfete mit einer umfangreichen IT-Messe verbunden. Sämtliche Aussteller, zumeist Start-ups, präsentierten den Bierfeten-Besuchern ihre innovative Lösungen, von denen ausnahmslos jede einen Bezug zur Baubranche aufwies.
„Bei der Auswahl der Aussteller habe der der betriebliche Mehrwert der Digitalisierung im Fokus gestanden“, sagte Hauptgeschäftsführerin Dr. Schreiner. Sie berichtet, dass zahlreiche Messebesuche nötig gewesen seien, und dass die FG Bau Kontakt zu einer Vielzahl von Start-ups geknüft habe. Entsprechend breit war das Produkt-Spektrum, das sich den Gästen der Bierfete bot: Ein digitaler Stundenzettel zur Erleichterung der Arbeitszeitabrechnung; eine App, die über Tiefbaustellen informiert; Drohnen-gestützte Vermessungstechnik; ein elektrisch angetriebener Radlader von Wacker Neuson und so weiter.
Die „smart-Stele“ des Berliner Unternehmen touchwert war nicht nur ein Blickfang der IT-Messe, das touchwert-Produkt kam am Bierfeten-Abend auch im Hauptzelt zum Einsatz. Konzipiert als intuitiv bedienbare Multi-Touch-Lösung zur Kundenkommunikation war die Stele das passende Werkzeug für eine kleine Umfrage unter den Verbandsmitgliedern über die Vorzüge des Verbandes. Der digitale Fragebogen stand über die „smart-Stele“ für jeden bereit.

Digitale Baudokumentation birgt enorme Vorteile
Baldige Abhilfe gegen den Fachkräftemangels wird es aus Sicht von Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop nicht geben. „Dieses Thema wird uns in den nächsten Jahren begleiten“, sagte die Grünen-Politikerin gleich zu Beginn ihrer Gastrede auf der FG-Bau-Bierfete. „Die Zeit, dass man sich Azubis aussuchen kann, ist vorbei“, so Sentorin Pop.

Den aktuellen Stand und den Fortschritt der Digitalisierung im Bauwesen gibt sie eher kritisch wider. „Die Digitalisierung ist noch nicht überall angekommen. Auch, weil die Auftragsbücher der Baubetriebe derzeit voll sind“, so die Berliner Wirtschaftssenatorin mit Blick auf den Dauerboom am Bau. Speziell bei der Baudokumenta­tion erwartet Pop enorme Vorteile. „Durch die Digitalisierung wird in diesem Bereich vieles einfacher“, so Sentorin Pop. Zudem eröffne die lückenlose Digital-Dokumentation den Weg zur Lebenszyklus-Analyse von Bauwerken, wodurch sich die gesamte Bauprozesskette optimieren ließe, so Pop, vom ersten Rohentwurf bis zur endgültigen Entsorgung des Rückbauschutts.
Die Senatorin nutzte die Bierfete, um die anwesenden Unternehmer und Firmenlenker an die anstehende Veränderungen im Berliner Bauvergabe-Verfahren zu erinnern. Ab Oktober dieses Jahres können in der Bundeshauptstadt Angebote auf Bauausschreibungen nur noch per E-Vergabe, spricht digital und online, eingereicht werden. „Das vereinfacht das Verfahren und macht es zudem transparenter“, so Senatorin Pop. Als direkte Folge der Verfahrensumstellung kündigte sie die Streichung von Arbeitsstellen im Vergabebereich an. Konkrete Zahlen zum Jobabbau im Vergabebereich nannte Pop nicht.
Beim Thema BIM (Building Information Modeling) hingegen wurde die Senatorin sehr konkret. „Wir werden ein BIM-Referenzprojekt in Berlin aufbauen“, so Pop.

Das Bauwerk und sein digitaler Zwillung soll den Baubetrieben als Anschauungsobjekte dienen. Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine Kooperationsprojekt von Berliner Senat und der Industrie- und Handelskammer Berlin.
Zum Abschluss ihrer Gastrede auf dem Lehrbauhof in Marienfelde betonte Wirtschaftssenatorin Pop die Dringlichkeit, die beim Ausbau der Infrastruktur der Bundeshauptstadt bestehe, und appellierte direkt an die anwesenden Vertreter der Bauwirtschaft. „Wir brauchen Sie! Bitte arbeiten Sie mit uns an diesem Projekt“, so die Grünen-Politikerin.

Ministerin strebt kontinuierlichen Investitionsverlauf an
Auch das Land Brandenburg sieht einen steigenden Investitionsbedarf bei der Infrastruktur des Landes. „Seit dem Haushaltsjahr 2014/2015 steigen die Inves­titionssummen“, sagte Brandesburgs SPD-Landesministerin für Infrastruktur und Landesplanung Katrin Schneider. Sie spricht sich für eine kontinuierliche Entwicklungen der Investitionen aus und verweist als positiv Beispiel auf den brandenburgischen Landesbetrieb Straßenwesen. Laut Angaben der Ministerin wuchsen dessen Investitionen von 400 Millionen Euro im Jahr 2016, über 450 Millionen Euro 2015, auf 480 Millionen Euro im aktuellen Jahr.
Der Fachkräftemangel setzt auch dem Potsdamer Infrastrukturministerium zu. „Es wird immer schwieriger die nötigen Planungskompetenzen aufzubauen“, so Ressort-Chefin Schneider. Um gegen den Mangel an Fachkräften anzusteuern, hat die Potsdamer Landesregierung gemeinsam mit der Technischen Universität Cottbus - Senftenberg einen dualen Hochbau-Studiengang aufgelegt und in Kooperation mit der Universität Potsdam einen vergleichbares Angebot für den Tiefbau erarbeitet. Beide Studienangebote würden sehr gut angenommen werden. Die Bewerberzahlen hätten ihre eigenen Erwartungen weit übertroffen, so die Landesministerin.
Doch nicht nur die Planung, auch die Auftragsvergabe gestaltet sich im Land Brandenburg zunehmend schwieriger. Viele Baubetriebe haben sich aus der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zurückgezogen, wie die Worte von Ministerin Schneider verdeutlichen: „Vorsichtig ausgedrückt: Auf unsere Ausschreibungen erhalten wir immer weniger Angebote.“
Dem akuten Mangel an Fachkräften zum Trotz kündigt die Landesministerin auf der Bierfete eine Kehrtwende in der Personalpolitik des Landes an. Mit Beginn des kommenden Haushaltsjahres 2019/2020 will die Landesregierung den Personalstand in ihrem Zuständigkeitsbereich erstmals wieder erhöhen statt zu senken. Die Ausbildungsstellen für Straßenwärtern sollen laut Ministerin Schneider verdoppelt werden.

Beim Thema BIM legt die Landesregierung Brandenburg deutliche weniger Tempo an den Tag als der Berliner Senat mit seinem angekündigten BIM-Referenzprojekt. Auf der Bierfete erwähnt die brandenburgische Infrastrukturministerin das Thema nur einmal, und zwar als Problem. BIM bedeute die Auflösung der Grenzen zwischen den verschiedenen Baubeteiligten Partien, so Schneider. „Wir überlegen, was man da machen kann.“

Erschienen in Ausgabe: Juli 2018 | Seite 9

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