von Jasch Zacharias
Handwerk will keine Sozialabgaben für Azubis zahlen
Betriebsentlastung aus Steuermitteln gefordert – 150.000 Fachkräfte fehlen
DBU/Berlin – Eine Befreiung der Betriebe und Auszubildenden von Sozialabgaben – das fordert Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) in einem Interview mit der Funke Mediengruppe. Hintergrund: Trotz einer anhaltend glänzenden Auftragslage in der Bauwirtschaft werden händeringend Fachkräfte gesucht.
Wollseifers Argumentation: Mit der Entlastung von Arbeitgebern und Auszubildenden durch einen Wegfall der Sozialabgaben würde der Staat endlich einen wirksamen Beitrag leisten, Bauberufe attraktiver zu machen. Das sei dringend notwendig, will man die insbesondere durch eine hohe Binnennachfrage boomende Baubranche als Konjunkturmotor, die für hohe Beschäftigungsquoten und Steuereinnahmen sorgt, unterstützen.
„Solche Entlastungen durch einen Wegfall der Sozialabgaben wären eine konkrete Anerkennung der Ausbildungsleistung, sie könnten eine wertschätzende Signalwirkung haben“, sagte Wollseifer. Steigende Wertschätzung sei auch der Schlüssel für alle weiteren positiven Entwicklungen im Handwerk und in der Bauwirtschaft insgesamt.
„Uns wäre schon geholfen, würde die duale Ausbildung in Deutschland dieselbe Wertschätzung erfahren wie im Ausland“, sagte Wollseifer. In Deutschland gelte bei Akademiker-Eltern hingegen eine Ausbildung ihres Nachwuchses in einem bauwirtschaftlichen Lehrberuf nach wie vor als „sozialer Abstieg“, so der ZDH-Präsident. Das müsse sich dringend ändern. Als konkrete Maßnahmen zur Senkung der Sozialabgaben und Lohnnebenkosten schlägt der ZDH vor, dass Auszubildende in der Bauwirtschaft ebenso bis zum 25. Lebensjahr in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ihrer Eltern mitversichert bleiben können. Genau so wie es bei Studenten der Fall ist. Auch die Kosten für die Unfallversicherung sollen – genau wie bei der akademischen Ausbildung – aus Steuermitteln getragen werden.
Durch die Gleichstellung von Studium und betrieblicher Ausbildung bei den Sozialabgaben würden Betriebe und Auszubildende selbst direkt profitieren. Als Beispiel nannte Wollseifer einen Lehrling, der in seinem Betrieb im zweiten Lehrjahr 685 Euro brutto verdient und dem bislang 139 Euro nur für Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung abgezogen werden. Diesem Auszubildenden würden fortan dann statt nur 546 Euro der volle Lohn bleiben.
„Im Ergebnis werden Azubi und Betrieb entlastet, und der Staat würde zeigen, was ihm die berufliche Ausbildung wert ist“, sagte Wollseifer. Durch den Mangel an Fachkräften haben sich derweil die durchschnittlichen Auftrags-Wartezeiten weiter verlängert: Im Bauhauptgewerbe liegen sie inzwischen bei 14 Wochen, im Ausbaugewerbe bei elf Wochen. Und das trotz neuem Fachkräftezuwanderungsgesetz und obwohl gern auch – wenn möglich – junge Flüchtlinge eingestellt werden. „Wir brauchen die Fachkräfte aus dem Ausland. Doch ist das allenfalls ein Baustein, der den Fachkräftemangel nicht vollständig decken kann“, so Wollseifer.
Nach ZDH-Angaben werden zurzeit etwa 18.000 Geflüchtete in den Bau- und Handwerksberufen ausgebildet. „Das Handwerk macht sehr gute Erfahrungen mit motivierten und integrierten Flüchtlingen in den Betrieben“, bestätigt Wollseifer. Doch reiche diese Zahl angesichts der mindestens 150.000 unbesetzten Stellen in der Bauwirtschaft bei weitem nicht aus. Der Fachkräftenachwuchs müsse künftig auch verstärkt durch mehr Abiturienten, Realschüler und Studienaussteiger aus dem eigenen Land gesichert werden.
von Jasch Zacharias
Erschienen in Ausgabe: Seite 2| August 2019