von Jasch Zacharias

Mafiöser Sozialbetrug auf dem Bau nimmt zu

Zahl der Strafverfahren steigt um 20 Prozent

DBU/Berlin – Bauunternehmen, die sich durch Schwarzarbeit illegal einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, geht es jetzt öfter an den Kragen: Die Zahl der Strafverfahren gegen schwarze Schafe in der Bauwirtschaft ist Medienberichten im Jahr 2019 um 20 Prozent auf 10.654 Fälle im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die Bauwirtschaft begrüßt das harte Vorgehen.

Im Frühsommer 2019 hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz deutlich mehr Personal sowie eine bessere finanzielle Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) – eine Sondereinheit des Zolls – angekündigt. Jetzt machen sich erste Konsequenzen bemerkbar. So hat die Behörde einem Bericht von Zeitungen der Funke Mediengruppe zufolge im vergangenen Jahr deutlich mehr Fälle von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung in der Baubranche aufgedeckt. Unter Berufung auf Zahlen des Bundesfinanzministeriums hat es bis Ende des vergangenen Jahres 10.654 Strafverfahren wegen nicht gezahlten Mindestlohns und gefälschte Rechnungen sowie falschen Angaben zu fälligen Sozialabgaben gegeben – das sind gut 20 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr 2018.

Laut Bundesfinanzministerium sind im vergangenen Jahr 13.855 Arbeitgeber der Bauwirtschaft kontrolliert worden – 670 Mehr als 2018. Wie die Generalzolldirektion Bonn TV-Journalisten des NDR-Magazins „Panorama“ bestätigte, stößt der Zoll etwa bei jedem zehnten Ermittlungsfall Hinweise auf gefälschte Rechnungen, mit denen der Einsatz von Schwarzarbeitern verschleiert wird.

Die Zahl der Ordnungswidrigkeiten, beispielsweise nicht gezahlte Mindestlöhne, stieg um 3,9 Prozent auf 6.522 Verfahren an. Die Schadenssumme aufgrund der Ordnungswidrigkeiten belief sich 2019 auf 19,96 Millionen Euro, an Bußgeldern wurden 15,52 Millionen Euro verhängt. Rückläufig sei hingegen die Summe des entstandenen Schadens aufgrund hinterzogener Steuern und nicht gezahlter Sozialabgaben gewesen. Diese habe 2019 mit 364 Millionen Euro 4,7 Prozent unter dem Vorjahreswert gelegen.

Kleine und mittelständische Baubetriebe sind Leidtragende
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (IW) leiden kleine und mittelständische Unternehmen dabei viel stärker unter der illegalen Konkurrenz als Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. In den kleinen und mittleren Betrieben beklagen demnach 27,5 Prozent der Verantwortlichen Umsatzeinbußen zwischen fünf und 30 Prozent, bei den Großen erreichte dieser Anteil lediglich 16,5 Prozent. Dabei beschäftigen gerade kleinere und mittlere Unternehmen längerfristig in den Regionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer, zahlen Tariflohn und Sozialabgaben sowie Steuern.

Die Bundesvereinigung Bauwirtschaft (BVB) und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) setzen sich seit Jahren gegen Schwarzarbeit ein. Ihre Forderungen reichen von der Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit, der bundesweiten Einrichtung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften bis hin zur Senkung der Mehrwertsteuer für von privaten Bauherren beauftragte Renovierungs-, Handwerks und Bauleistungen. Auch für die Fachgemeinschaft (FG) Berlin und Brandenburg hat sich als Interessenverband insbesondere für kleine und mittlere Bauunternehmen auf die Fahne geschrieben: „Schwarzarbeit ist das Krebsgeschwür der Bauwirtschaft. Sie setzt seriös agierende und gesellschaftlich verantwortungsvolle Unternehmen, die Arbeitnehmern faire Löhne zahlen, Ausbildungsplätze schaffen und ihre Steuern leisten, unter enormen wirtschaftlichen Druck. Neben menschenunwürdigen Unterkunfts- und Arbeitsbedingungen sowie massiven Verletzungen der Arbeitssicherheit steht Schwarzarbeit auch für einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden“, sagt FG Bau- Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner.

Bis zu 126 Mrd. Euro werden schwarz erwirtschaftet
Der geschätzte Schaden beläuft sich für die Volkswirtschaft in Deutschland auf bis zu 126 Milliarden Euro, die schwarz auf Baustellen erwirtschaftet werden, beziffert Friedrich Schneider von der Universität Linz gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). 126 Milliarden Euro auf die weder Steuern und Sozialabgaben gezahlt werden – Milliardenbeträge, die Bund, Ländern und Kommunen beispielsweise später wiederum für Investitionen in Infrastruktur sowie die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses fehlen.

Laut Recherchen des Politmagazins „Panorama“ haben die schwarzen Schafe unter den Baufirmen ein ausgeklügeltes System von so genannten „Abdeckrechnungen“ entwickelt. Diese werden so genannt, weil auf diese Weise schwarz entstandenen Kosten abgedeckt werden. Eigens damit betraute „Servicegesellschaften“ würden solche Rechnungen anbieten. Die Bauunternehmer würden einer „Servicegesellschaft“ eine bestimmte Rechnungssumme überweisen, die sie dann im Nachhinein abzüglich einer Provision in bar zurückerhalten. Mit einer solchen gefälschten Rechnung in der Tasche könnten dann diese Bauunternehmer bei Kontrollen behaupten, die Arbeit hätte nicht seine eigenen Angestellten, sondern ein Subunternehmen ausgeführt. Mit dem zurückerhaltenen Bargeld bezahle der Unternehmer dann, so die „Panorama“-Recherche, Arbeitskräfte. Auch für diese Zahlung stelle die beauftragte Servicegesellschaft eine Rechnung aus. Die Zuwendungen an Bargeld von der „Servicegesellschaft“ an den Bauunternehmer und von ihm dann wiederum an die schwarz beschäftigten Bauarbeiter seien von der FSK dann nur sehr schwer nachzuweisen.

von Jasch Zacharias

Erschienen in Ausgabe: April 2020 | Seite 03

Zurück