Strassenbau - von Redaktion

Mischanlagen, Baustelle und Logistikkette digital vernetzt

Prozessoptimierung im Straßenbau: Max Bögl setzt bei der Baustelle B 312 Scheibengipfeltunnel in Reutlingen auf Straßenbau 4.0

Pforzheim – Seit 2012 laufen die Arbeiten für die neue Bundesstraße B 312 am Scheibengipfeltunnel in Reutlingen, der die benachbarten Stadteile Sondelfingen und den ehemaligen Südbahnhof künftig verbinden wird. Kein unbekanntes Terrain für die Firmengruppe Max Bögl. In der 87-jährigen Firmengeschichte hat man bereits viele Tunnelbaustellen erfolgreich durchgeführt.

Der Durchbruch des zirka 2.000 Meter langen Haupttunnels gelang bereits am 27. Januar 2014. Neben den rund 245.000 Kubikmetern Abraum, die durch die Tunnelröhre abtransportiert wurden, erfolgte im Mai 2016 der Asphalteinbau für die Fahrbahn der neuen B 312 im Tunnel.

Als innovatives und fortschrittliches Bauunternehmen verbessert Max Bögl eingefahrene Abläufe und den Bauprozess stetig – so auch beim Scheibengipfeltunnel. Aber dieses Mal war etwas anders, als auf den vorherigen Baustellen. Man entschloss sich beim Asphalt-Einbau einen neuen Weg zu bestreiten und die Prinzipien des Straßenbaus 4.0 zu nutzen.

Während der etwa dreiwöchigen Einbauzeit mit rund sieben Einbautagen, sollte die komplette Lieferlogistik von zwei Asphaltmisch­anlagen in Echtzeit gesteuert werden. Die besondere Herausforderung: Die Lieferscheindaten, die an den Mischanlagen erzeugt wurden, sollten vollautomatisch von der Waage an einen Server gesendet und in Echtzeit im Tunnel auf einem Tablet-PC direkt beim Einbaumeister bereitgestellt werden.

Um dies prozessoptimiert und ohne Ausfall sicher gewährleisten zu können, hat man sich für das System des Pforzheimer Beratungsunternehmens Volz Consulting GmbH entschieden. Das System mit dem Namen "BauProzessOptimierung" – kurz BPO – erlaubt es, die Arbeitsvorbereitung effizienter zu gestalten, Mischanlagen, LKW-Logistik und Baustellen in Echtzeit zu vernetzen sowie den Baufortschritt zu dokumentieren und zu analysieren.

Der Einsatz des Echtzeitsystems innerhalb eines Tunnels stellte BPO vor unbekannte Herausforderungen. Obwohl das System seit mehr als zwei Jahren bei mehr als 20 Lizenznehmern in mehreren europäischen Ländern mit Erfolg eingesetzt wird, schien es zunächst unklar, ob die Anforderungen an die Datenübertragung ausreichen würden, um einen prozesssicheren Betrieb zu gewährleisten.
Bereits nach dem ersten Systemtest im Tunnel, war klar: Die Vernetzung der Mischanlagen, der Baustelle und der Logistikkette konnte ohne zusätzliche Spezialhardware oder Netzwerktechnik funktionieren. Ein Tablet-PC genügte.

Die Planung des Bauvorhabens konnte innerhalb eines halben Tages, ohne Systemvorkenntnisse der Bauleitung in Zusammenarbeit mit einem Berater seitens Volz Consulting erfolgen.

Die initiale Unterweisung des Poliers in BPO erfolgte während des Einbaus und stellte keinerlei Probleme oder Mehraufwand dar.
Bereits nach wenigen Stunden arbeitete der Polier selbständig mit dem System und konnte den Informationsfluss über BPO abwickeln. Egal ob es um die Foto-Dokumentation des Einbaus oder die Koordination der mehr als 20 Lkws ging: Mit BPO blieben alle Beteiligten stets über den aktuellen Massenzufluss informiert.

Während der Bauausführung sind Störungen durch externe Einflüsse oftmals an der Tagesordnung, die eine möglichst rasche Veränderung der Planung erfordern. Diese Planänderungen konnten mittels BPO erfasst und automatisch allen Prozessbeteiligten in Echtzeit am Laptop, Smartphone oder Tablet-PC bereitgestellt werden.

Mengenänderungen, Zeitvorgaben oder Staus wurden schnell erkannt und durch BPO an alle Beteiligten transparent weitergegeben. Auch die Berechnung der restlichen Materialmenge am Tagesende wurde automatisch mit BPO bestimmt und konnte vom Polier direkt über das System mit den Mischanlagen abgestimmt werden.

Die Folgen für alle Beteiligten waren spürbar gut. Die oft hektischen Telefonate konnten vollständig entfallen. Der Bauablauf verlief deutlich entspannter als sonst. Durch die einheitliche Datenbasis waren alle relevanten Informationen zu jedem Zeitpunkt verfügbar. Entscheidungen wurden zielsicher und ohne Risiko getroffen und waren Sekunden später auch im Baubüro bei der Bauleitung von Max Bögl verfügbar.

„Asphaltarbeiten sind für uns nichts Außergewöhnliches. Man hat mit BPO aber schon einen Unterschied zum konventionellen Bauablauf gespürt. Der Prozess verlief ruhig und konnte verlässlicher geplant werden als sonst. Gerade die Massenströme werden einfach dargestellt und der Koordinationsaufwand mit den Mischanlagen sinkt spürbar und entlastet den Polier. Am Abend hat man sofort einen verlässlichen Ausdruck über die Resultate der geleisteten Arbeit und die gelieferten Mengen….“, sagt Tobias Jachmann, Bereichsleiter bei Max Bögl.

Aber auch bei der gesamten Mannschaft und dem Polier Ender Sahin kommt die Prozessinnova­tion BPO gut an.

Besonders die automatische Aktualisierung der bereits eingebauten Materialmenge, die im LKW-Zulauf zur Baustelle befindliche Tonnage und die noch zu produzierenden Massen erleichtern die Arbeit.

Die Möglichkeit in Echtzeit über das Eintreffen der Lkws, die Restmenge und den Soll-Ist-Vergleich aller relevanten Parameter informiert zu sein, führt zu einem anderen, einem besseren Bauen als bisher. Über Schnittstellen zu den Wiege­systemen lassen sich die Lieferscheindaten automatisch erfassen und in Echtzeit auf der Baustelle darstellen.

In einem zweiten Schritt kann in BPO sogar die Unterschrift auf dem Tablet-PC erfasst werden, um an der Mischanlage den Lieferschein als digitales Dokument mit digitaler Signatur zu erstellen.

Ebenso können LKW über die kostenlose Smartphone-APP „BPO Live“ eingebunden werden oder es lassen sich auch ganze Lkw-Flotten über Schnittstellen per GPS zu Flotten-Management-Systemen einbinden.

Aber auch nach dem Einbau bietet BPO Vorteile. Nachdem der Asphalteinbau abgeschlossen war, konnte die Projektleitung sämtliche Parameter wie etwa Lieferscheinaufstellungen, Massenbilanzen, Standzeiten, den Bauverlauf aber auch einen Bautagesbericht auswerten, um den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) weiter zu beschleunigen. Die kommenden Dokumentationsanforderungen seitens der Auftraggeber können durch BPO umfassend erfüllt werden.

Max Bögl stärkt mit BPO seine Rolle als einer der führenden Innovationsträger in der Bauindustrie. Gemeinsam mit der Volz Consulting GmbH konnte ein wichtiger Schritt in Richtung Bauprozessoptimierung und Straßenbau 4.0 gegangen werden. Max Bögl wird BPO unternehmensweit einführen.

Mit BPO kann die gesamte Wertschöpfungskette von der Arbeitsvorbereitung über die Bauausführung in Echtzeit bis hin zur Abrechnung digitalisiert werden.

Die Lizenznehmer von BPO schaffen es in sechs Ländern auf etwa 10 Mio. Tonnen Asphalt pro Jahr, was mehr als 25 Prozent der jährlich produzierten Asphalt-mischgutmenge in Deutschland entspricht.

Zu den mehr als 20 Lizenznehmern zählen unter anderem Kemna Bau, Johann Bunte, Wolff & Müller, Max Bögl, Fahrner Bau, Stolz, Vogel-Bau, ASA Bau, SAW, Morof und viele mehr.

von Redaktion

Erschienen in Ausgabe: Oktober 2016 | Seite 26

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