von Redaktion

Nachhaltige Baustellen werden jetzt zertifiziert

DGNB vergibt erste Auszeichnung an Züblin, Lidl sowie Großprojekt „Westfield Hamburg Überseequartier“

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat ein neues Zertifizierungssystem für nachhaltige Baustellen entwickelt. Die ersten Auszeichnungen dafür sind im Rahmen des Tags der Bauindustrie am 10. Juni  virtuell übergeben worden: Erste Zertifikate gingen unter anderem an Lidl für ein nachhaltiges Bauprojekt in Winnenden (Baden-Württemberg) und für das Großprojekt „Westfield Hamburg Überseequartier“. Die Ed. Züblin AG hat zwei Auszeichnungen erhalten: für die Baustelle des Wohnbauprojekts in der Saalburgallee in der hessischen Metropole Frankfurt am Main und al für ihre nachhaltigen Baustellen insgesamt.

Qualitätssicherung und Riskominimierung auf Baustellen

  Als Planungs- und Managementtool hilft die Zertifizierung bei der Qualitätssicherung und Risikominimierung auf der Baustelle. Im Fokus stehen der Ressourcenschutz, Gesundheit und Soziales sowie die Kommunikation mit der lokalen Öffentlichkeit. Die Zertifizierung ist einsetzbar bei Hoch- und Tiefbauprojekten und wird prozessbegleitend während der gesamten Baustellenabwicklung angewandt. Zielgruppe des neuen Angebots sind Bauherren, Kommunen und Bauunternehmen.

„Beim nachhaltigen Bauen geht es nicht nur um das Ergebnis, sondern auch um den Weg dahin“, sagt Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Deshalb ist es wichtig, die Baustellen so zu planen und abzuwickeln, dass auf diesen verantwortungsvoll mit Ressourcen umgegangen wird, sie für die dort arbeitenden Menschen möglichst sicher sind und die negativen Einflüsse auf die Umgebung minimiert werden.“
 
Das neue DGNB-System für nachhaltige Baustellen setzt hier an. Die Zertifizierung ist auf den Baustellenprozess und die Umsetzung für die Dauer der Baumaßnahme ausgerichtet. Betrachtet werden sämtliche Arbeiten, die bei der Erstellung, Instandsetzung oder Änderung von baulichen Anlagen erfolgen. Die Beurteilung der Baustelle erfolgt auf Grundlage von Nachweisen, die vor Beginn und während der Umsetzung bis zur Inbetriebnahme des Bauwerks in abgestimmten Intervallen überprüft werden.
 
Die Grundlage der Auszeichnung bildet ein DGNB Vorzertifikat, das zu Projektbeginn erworben wird und die wesentlichen Vorgaben für das Baustellenmanagement festlegt. Nach erfolgreicher Abwicklung und bei kontinuierlicher Einhaltung der Nachhaltigkeitsanforderungen wird das DGNB Zertifikat für nachhaltige Baustellen vergeben. Dabei gibt es – anders als bei anderen Varianten der DGNB Zertifizierung – in der Bewertung keine Abstufungen in Platin, Gold und Silber.
 
Die fünf Kriterien der Zertifizierung im Detail
 
Der ganzheitliche Nachhaltigkeitsansatz, wie ihn die DGNB seit jeher verfolgt, bildet auch die Grundlage der Zertifizierung für nachhaltige Baustellen. Über fünf Kriterien werden die wesentlichen Indikatoren abgebildet, die zu einer möglichst hohen Nachhaltigkeitsqualität einer Baustelle beitragen. Einige davon sind verpflichtend als Mindestanforderung von allen Projekten zu erfüllen.
 
Das Kriterium „Baustellenorganisation“ ist eine solche Mindestanforderung. Darin definiert werden wesentliche Vorgaben zur Baustellenplanung und deren Fortschreibung über diverse Leistungsphasen hinweg, von der Vorplanung bis zur Objekt- und Bauüberwachung. Gefordert sind Ablauf- und Zeitpläne sowie ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan. Hinzu kommen Maßnahmen zur Vermeidung der Belastung der lokalen Umwelt. Dabei geht es um Konzepte für eine lärm-, staub- und abfallarme Baustelle, den Boden- und Grundwasserschutz sowie eine umwelt- und anwohnerorientierte Logistik.
 
Ein Aspekt im Kriterium „Ressourcenschutz“ bezieht sich auf die Ressourceneinsparung und Emissionsminderung in Bezug auf die genutzte Energie. Zur Förderung des Klimaschutzes wird der Einsatz erneuerbarer Energie ebenso positiv bewertet wie die Nutzung umweltgerechter Transportmittel. Die Wiederverwendung und -verwertung von Baumaterialien steht ebenfalls im Fokus, zum Beispiel über eine aktive Beeinflussung der Verwertungs- und Entsorgungswege. Zudem wird der Wasserverbrauch im Rahmen der Zertifizierung adressiert.
 
Im Kriterium „Gesundheit und Soziales“ stehen die arbeitenden Personen auf der Baustelle im Mittelpunkt. Hierzu zählt das Thema Gesundheitsprävention, bei dem es neben der allgemeinmedizinischen Vorsorge auch um Maßnahmen im Falle eines besonderen Anlasses wie der aktuellen Corona-Pandemie geht. Ein Arbeits- und Sicherheitsplan für die Bauhauptgewerke sowie eine Gefährdungsbeurteilung durch die beauftragten Unternehmen sind weitere Indikatoren. Auch die projektinterne Kommunikation, zum Beispiel  in Bezug auf Mehrsprachigkeit, ist angesprochen. Hinzu kommen Aspekte wie die Arbeitsplatzqualität oder die Absicherung der Sozialleistungen für alle Beteiligten.
 
Maßnahmen zur Information der Anwohner und des Gewerbes in der unmittelbaren Umgebung sind Kern des Kriteriums „Kommunikation mit der lokalen Öffentlichkeit“. Dabei geht es um die Zeit vor Start der Baustelle wie auch die prozessbegleitende Kommunikation. Besonderen Wert gelegt wird auch auf das Erscheinungsbild der Baustelle für die Öffentlichkeit. Positiv bewertet wird, wenn eine digitale Informationsplattform bereitgestellt wird.
 
„Qualität der Bauausführung“ ist das fünfte und letzte Kriterium der Zertifizierung. Hier werden etwa ein Planverwaltungsmanagement, eine Schnittstellenkoordination oder ein Verbesserungsmanagement positiv bewertet. Die Nutzung einer App auf der Baustelle oder der Einsatz intelligenter Maschinensteuerung fließen in das Zertifizierungsergebnis ein. Im Fokus sind die Qualitätssicherung der verwendeten Bauprodukte sowie Detailthemen wie die Schimmelpilzprävention.
 
Zertifizierung richtet sich an Bauherren, Kommunen und Bauunternehmen
 
Zielgruppen der bei Hoch- und Tiefbauprojekten gleichermaßen anwendbaren Zertifizierung sind in erster Linie Bauherren, Kommunen und Bauunternehmen. Für Bauherren liegen die Mehrwerte einer Zertifizierung in einem reibungsloseren Bauprozess, einer zusätzlichen Qualitätssicherung der Bausauführung sowie der Risikominimierung über die umgesetzten Vorsorgekonzepte. Hinzu kommt das positive Image einer sicheren, sauberen und nachhaltigen Baustelle. Zudem wirkt sich die Auszeichnung positiv auf geplante Zertifizierungen des Quartiers oder einzelner Gebäude am Standort aus.
 
Kommunen haben die Möglichkeit, die DGNB Zertifizierung zur Auflage zu machen und so zu verbesserten Prozessen beizutragen. Gerade die Akzeptanz der Baustellen durch die lokale Öffentlichkeit liegt im besonderen Interesse von Städten und Gemeinden.
 
Für Bauunternehmen und die ausführenden Gewerke ergeben sich Vorteile über ein Plus an Arbeitssicherheit sowie die damit verbundene höhere Attraktivität für bestehende und neue Mitarbeitende. Sie können zudem von der Optimierung bestehender Prozesse im Sinne einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit profitieren. Außerdem haben Bauunternehmen die Möglichkeit, über ein DGNB Basiszertifikat ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern zu erhalten. In diesem sind alle Prozesse und Maßnahmen des Bauunternehmens definiert, die standardmäßig bei jeder Baustelle durchgeführt werden. Es dient als Grundlage für künftige Zertifizierungsprojekte, wobei die Aufwände dieser Einzelprojekte reduziert werden.
 
Stimmen von den ersten ausgezeichneten Projekten
 
Das jetzt vorgestellte Zertifizierungssystem wurde bereits pilotierend an ersten Projekten getestet. So hat Lidl das erste DGNB-Zertifikat für eine mittlerweile fertig gestellte Baustelle in Winnenden erhalten. Das neue Baustellenzertifikat soll Lidl dabei helfen, die Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Bauprozess auf den Punkt zu bringen, Partner für die Umsetzung der Kriterien zu sensibilisieren und sich entlang der Kriterien weiterzuentwickeln.
 
Das Großprojekt „Westfield Hamburg Überseequartier“ ist mit einem DGNB-Vorzertifikat ausgezeichnet worden und wendet die Kriterien auf der Baustelle aktuell an. Thomas Kleist, Senior Sustainability Manager des Projekts: „Wir verstehen das Baustellenzertifikat als Managementtool für die Nachhaltigkeitsanforderungen sowie die gesamte Logistik während der Bauphase. Das Projekt gehört zu den komplexesten in der gesamten Branche – und in allen Teilbereichen spielen Nachhaltigkeitsstandards eine entscheidende Rolle.“
 
Gleich doppelt ausgezeichnet wurde die Ed. Züblin AG. Zum einen gab es ein DGNB Vorzertifikat für die Baustelle des Wohnbauprojekts in der Saalburgallee in Frankfurt. Zum anderen konnte Züblin als erstes Unternehmen ein DGNB Basiszertifikat für nachhaltige Baustellen realisieren. „Wir sind der Überzeugung, dass die Zertifizierung das Potenzial hat, zum Standard für Baustellen zu werden“, erklärt Klemens Haselsteiner, Mitglied des Vorstands der Strabag SE, dem Mutterkonzern von Züblin. „Insofern war es uns wichtig, hier möglichst früh Erfahrungen zu sammeln, um auf die kommende Nachfrage vorbereitet zu sein.“

Bild. Das Großprojekt" Westfield Hamburg Überseequartier“  (Foto: mk-timelapse)

von Redaktion

Erschienen in Ausgabe: omline

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