von Gastautor
Öffentliche Hand kann kleine Aufträge direkt vergeben
Reform der Vergabeordnung beschleunigt Ausschreibungsverfahren
DBU/Berlin – Am 1. März ist der reformierte 1. Abschnitt der VOB/A 2019 in Kraft getreten. Der Vorstand des deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DVA) hatte zuvor im Januar das Gesamtpaket der neuen VOB/A mit den Abschnitten 1-3 beschlossen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat daraufhin im Februar die Neufassung der VOB/A im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Anwendung der Vorschriften der Abschnitte 2 und 3 VOB/A bedarf noch weiterer Gesetzesänderungen, die aktuell vorbereitet werden.
Eine der zentralen Neuerungen der neuen VOB/ A 2019 ist die Einführung der Wahlfreiheit zwischen Öffentlicher Ausschreibung und Beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb. Der Vorrang der Öffentlichen Ausschreibung wurde aufgegeben.In der alten Fassung der VOB/A war vorgeschrieben, dass die Öffentliche Ausschreibung durchgeführt werden musste, soweit nicht die Eigenart der Leistung oder besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigen. Diese qualifizierten Zulässigkeitsvoraussetzungen sind weggefallen, sodass öffentliche Auftraggeber hinsichtlich der Wahl des Vergabeverfahrens jetzt im Gleichlauf zu Oberschwellenvergaben deutlich flexibler sind.
Einführung eines Direktauftrags
Bauleistungen können bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 3.000 Euro unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens als Direktauftrag beschafft werden. Der Auftraggeber soll jedoch zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln. Auch diese Reform führt dazu, dass öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung flexibler agieren können.
Erleichterter Eignungsnachweis
Die Eignungsprüfung wird in der Neufassung der VOB erleichtert. Der Auftraggeber kann bis zu einem Auftragswert von 10.000 Euro auf bestimmte Angaben zur Eignung verzichten, wenn dies durch Art und Umfang des Auftrags gerechtfertigt ist. Hiervon unberührt bleiben Angaben, welche die Zuverlässigkeit im engeren Sinne betreffen. Dazu zählt insbesondere, ob das Unternehmen Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet hat.
Angabe von Zuschlagskriterien
Öffentliche Auftraggeber sind nunmehr auch unterhalb der Schwellenwerte ausdrücklich verpflichtet, Zuschlagskriterien anzugeben. Die Mitteilung über die Zuschlagskriterien kann in den Vergabeunterlagen oder in der Auftragsbekanntmachung erfolgen. Ferner haben Auftraggeber die Möglichkeit, eine Gewichtung der Zuschlagskriterien festzulegen. Entscheidet der Auftraggeber sich für eine solche Festlegung, ist er auch verpflichtet, die Gewichtung anzugeben. Diese Reform ist unter Transparenz- und Wettbewerbsgesichtspunkten zu begrüßen.
Nachforderung von Unterlagen
Die Regelung zur Nachforderung von Unterlagen ist sowohl in der VOB/A als auch in der VOB/A EU umfangreich neu gestaltet worden. Es ist nun deutlicher als bisher geregelt, welche Art von Unterlagen nachzufordern sind. Der Auftraggeber muss Bieter unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nachzureichen oder zu vervollständigen. Anders als bisher darf die Vergabestelle jedoch zu Beginn des Vergabeverfahrens festlegen, dass sie keine Unterlagen nachfordern wird. Diese Festlegung muss sie dann in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen bekanntgeben. Neu ist zudem die Möglichkeit, in bestimmten Fällen fehlende Preisangaben nachzufordern. Dies gilt jedoch nur für Angebote, bei denen lediglich in unwesentlichen Positionen die Angabe des Preises fehlt und sowohl durch die Außerachtlassung dieser Positionen der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge nicht beeinträchtigt werden als auch bei Wertung dieser Positionen mit dem jeweils höchsten Wettbewerbspreis.
Neue Wertgrenzen beim Wohnungsbau
Der DVA hat in Umsetzung der Beschlüsse des Wohngipfels vom 21. September 2018 die Wertgrenzen für die freihändige Vergabe und die beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb auf 100.000 Euro bzw. 1 Millionen Euro angehoben. Dabei ist zu beachten, dass die Anhebung bis zum 31. Dezember 2021 befristet ist und nur für Bauleistungen zu Wohnzwecken gilt. Mit diesen Änderungen wird bezweckt, dass der vielfach politisch angestrebte Zuwachs an Wohnraum schneller erreicht wird.
Fazit:
Die Änderungen im 1. Abschnitt der VOB/A erhöhen die Flexibilität der öffentlichen Auftraggeber bei der Durchführung von Vergabeverfahren. Die Reformen werden Investitionen der öffentlichen Hand spürbar erleichtern. Auch die Unternehmensseite wird von den Reformen profitieren. Die Erleichterungen des Vergabeverfahrens kommt den Bietern bei der Erstellung ihrer Angebote zugute.
Zum Autor:
Simon Gesing ist Rechtsanwalt am Berliner Standort von Leinemann Partner.
Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die baubegleitende Beratung und Prozessführung sowie die Beratung von Auftraggebern und Bietern in Vergabeverfahren.
von Gastautor
Erschienen in Ausgabe: Seite 7| Mai 2019