Beton - von Redaktion

Schwarzer Sichtbeton für prämierten Solitär

„Haus der Zukunft“ – ein anspruchsvolles Projekt in Schalung und Ausführung

Berlin/Rheda-Wiedenbrück – Direkt an der Spree und nur wenige Schritte vom Berliner Hauptbahnhof entfernt, lässt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben das „Haus der Zukunft“ bauen. Nach Fertigstellung im Jahr 2017 werden dort auf rund 8.000 Quadratmeter Nutzfläche Forschungs- und Zukunftsfragen thematisiert und der Öffentlichkeit gezeigt. Am 13. November 2015 hatten Baufachjournalisten Gelegenheit, die Baustelle auf Einladung der Westag & Getalit AG zu besichtigen.

Eingefärbter Sichtbeton kennzeichnet das Projekt, für das die jungen Berliner Architekten Richter und Musikowski die Architektur entwarfen. Im EU-weit ausgeschriebenen Architektenwettbewerb hatten sie gewonnen und den 1. Preis zuerkannt bekommen. Maßgebend für Form und Farbgebung des Sichtbetons in den Ausstellungsbereichen war an ein Wohn- und Geschäftshaus (2009 in der Linienstrasse 40 in Berlin errichtet). Beide Projekte kennzeichnet eingefärbter Sichtbeton, der mit Schalungsplatten der Westag & Getalit in Form gebracht wurde.

Die Ausführungsplanung und die schlüsselfertige Errichtung des 58- Mio. Euro teuren „Hauses der Zukunft“ übernahm die BAM Deutschland AG. Da es sich um ein ÖPP-Projekt handelt, hat sie es auch 28 Jahre lang zu betreiben und instandzuhalten. Die BAM Deutschland AG gehört zum niederländischen Baukonzern BAM und ist ein Zusammenschluss der traditionsreichen deutschen Firmen Müller-Altvatter Bauunternehmung und Wayss & Freytag Schlüsselfertigbau.

Der in seiner Kubatur fünfeckig ausgebildete Baukörper hat maximale Ausdehnungen von zirka 85 Meter in Nord-Süd-Richtung und zirka 70 Meter in Ost-West-Richtung. Es wird zwei unterirdische Geschosse, drei Obergeschosse, zwei Zwischengeschosse und eine nutzbare Dachfläche geben. Baubeginn war Anfang 2015.

Für die Gründung des Gebäudes mittels einer 1,0 Meter starken Stahlbeton- Bodenplatte war es zunächst erforderlich, eine Weichgelsohle herzustellen. Dabei wurde über Bohrlanzen eine aus Wasser, Wasserglas und Natriumaluminat bestehende Weichgelabdichtung in den Boden gepresst. Sie erhöhte das Porenvolumen des in der Fachsprache als „rollig“ bezeichneten, instabilen Untergrundes, der aber nach dem Aushärten als Weichgelsohle tragfähig und wasserundurchlässig ist. Oberhalb dieser Sohle wurden Bodenplatte und Außenwände als „weiße Wanne“ ausgeführt.

Stützenfreie Spannweiten bis zu 28 Meter
Das Tragwerk des Veranstaltungsgebäudes besteht aus einer Stahlbetonkonstruktion mit Stützen, aussteifenden Wänden und Treppenhaus-Kernen. Stützenfrei sind die Stahlverbundträger, sie haben Spannweiten bis zu 28 Meter. Massive Stahlbetonwände übernehmen den diagonalen Lastabtrag der südwärts gerichteten, 18 Meter weiten Auskragung.
Das Dachtragwerk ist als Stahlkonstruktion ausgebildet. Verkleidet wird das Dach mit einer Trapezblecheindeckung. Die überkragenden Ausstellungsbereiche mit ihren hohen Nutzlastanforderungen stellen aus Sicht der Tragwerksplaner die zentrale Herausforderung dar. Über beiden Eingangsbereichen im Erdgeschoss werden die auskragenden Decken über Zugbänder nach oben an die im Dach versteckten Träger gehängt.

Die Architekten Christoph Richter und Jan Musikowski: „Das Haus nimmt das städtebauliche Umfeld auf und entfaltet als Solitär seine Strahlkraft. Die großen, beidseitigen Fensterfronten werden einen offenen und einladenden Impuls geben. Besonders das begehbare Dach mit seinen phantastischen Ausblicken sucht seinesgleichen in Berlin Mitte. Auch farblich wollten wir in den Innenbereichen Akzente setzen. Mit ihrer anthrazit-schwarzen Farbgebung und der gleichmäßigen, matten Oberfläche sollen die Sichtbetonwände in den Ausstellungsbereichen den idealen Rahmen für Objekt- und Medienpräsentationen schaffen“.

RS special geölt unterstützt porenarme Struktur
Dipl.-Ing. Uwe Gassmann, Produktmanager der Westag & Getalit AG, unterstützte die Baustelle schalungstechnisch. „Als Referenz diente das Linienstrasse-Projekt, bei dem nach zahlreichen Versuchen damals eine vorgeölte, saugende Spezialschalung beste Ergebnisse geliefert hatte.“

Dipl.-Ing. Manfred Davarre, verantwortlicher Projektleiter der BAM: „Für das Gesamtprojekt werden 8.300 Kubikmeter Beton erforderlich. Rund 980 Kubikmeter davon werden als farbiger Sichtbeton SB3 eingebaut. Die Sichtbetonflächen im Inneren des Baukörpers betragen 3.500 Quadratmeter. Um eine gleichmäßige Oberfläche mit definierten Ankerpunkten aber ohne Lunkerbildung oder Kalkausblühungen sicher herzustellen, wurden Schalungsvorbereitung und Betonierabläufe streng nach Protokoll durchgeführt. Die Schalhaut RS special durfte jeweils nur ein Mal eingesetzt werden.“

Betonieren frisch in frisch – geringe Fallhöhen
Lichtner-Dyckerhoff Beton mischte den C30/37 Beton, Expositionsklasse XC1, XF1, WO, dem flüssige Farbpigmente Ferrox-Schwarz in einem Anteil von 12 Prozent der jeweiligen Zementmenge zugefügt wurden. Der Konstruktions-Leichtbeton mit einem hohen Zementanteil (CEM III/A 42,5) von 380 Kilogramm, enthielt statt Sand und Kies entsprechende Anteile Liapor in adäquater Körnung und Mischung.

BAM-Bauleiter Rohbau Dipl.-Ing. Volker Engel: „Der Zeitraum der Verarbeitung des Betons und die Arbeitsweise beim Betonieren wurden stets so abgestimmt, das immer frisch in frisch betoniert wurde. Der Einbau erfolgte mit Pumpe und Schlauchverlängerung aus einer maximalen Fallhöhe von 50 Zentimeter jeweils in 50 Zentimeter hohen, waagerechten Schüttlagen, um den Betondruck in erlaubtem Maß zu halten. Verdichtet wurde mit Innenrüttlern. Um Nacharbeiten zu vermeiden, war bei jedem einzelnen Betoniervorgang eine genaue und saubere Vorbereitung unerlässlich“. So waren etwa Notabsteifungen mit textilen Zwischenlagen vorgeschrieben, zwischengelagerte Elemente waren abgedeckt zu lagern, der Betonierraum war stets auf Sauberkeit zu prüfen und Schalhaut-Stoßkanten mussten völlig gerade zugeschnitten sein.
Die Schalungsplatten wurden im Format 5.000 x 2.000 x 21 Millimeter geliefert. Die Montage der vorgeölten RS special-Schalungsplatten erfolgte auf der Baustelle auf einer Vario-Trägerschalung von Peri. Dabei wurde eine rückwärtige Verschraubung gewählt.
Uwe Gassmann: „Um die geforderten Parameter sicher zu stellen wurde die Schalhaut nur einmal eingesetzt. Insgesamt betrug die Bruttoschalungsfläche rund 3500 Quadratmeter. Unsere Westag RS special-Großflächenschalungsplatte besteht aus hochverdichteten Holzwerkstoffen und weist eine geschliffene und saugende Oberfläche auf. Sie erwies sich als optimale Lösung bei diesem schwierigen Bauvorhaben, weil sie als vorbehandelte saugende Spezialschalung dem Beton während des Abbindevorgangs oberflächennahe Luft und Wasser entzieht und eine porenarme Struktur unterstützt“.
Nachdem bereits das Betonieren der Probewände ordentliche Ergebnis lieferte, lobten die Verantwortlichen nach dem Ausschalen der ersten größeren Wandabschnitte auch die hier sichtbaren guten Resultate. Volker Engel: „Farbiger Leichtbeton ist sicher immer eine große Herausforderung. Hier hat es gut funktioniert, weil Mannschaft und Material gut aufeinander abgestimmt waren.“
Barriere-frei und Standard Nachhaltiges Bauen
Im „Haus der Zukunft“ werden für Ausstellungen rund 3.200 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Im 2.600 Quadratmeter großen Obergeschoss wird Platz für Dauerausstellungen sein. Hier sollen thematisch gefasste Szenarien Zukunft erlebbar machen. Auch Ideen und Forschungsprojekte engagierter Bürger werden zur Diskussion gestellt. Das Untergeschoss bietet auf rund 600 Quadratmeter Platz für Sonderausstellungen. Die Architekten Christoph Richter und Jan Musikowski: „Zum Energiekonzept des Barriere-freien Baukörpers gehören Solarthermie- und Photovoltaikanlagen. Bei der Zertifizierung des Gebäudes wird eine Bewertung angestrebt, die mit dem Goldstandard des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen vergleichbar ist“.

von Redaktion

Erschienen in Ausgabe: Februar 2016 | Seite 33

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