Innen & Außen - von Gastautor

Sichttragwerk aus weißen Nagelplattenbindern

Sporthalle Haiming: 2017 mit dem Deutschen Holzbaupreis gewürdigt

Haiming/Ostfildern – Für den Neubau der Sporthalle des örtlichen Sportvereins wünschte sich die oberbayerische Gemeinde Haiming eine besondere Architektur: Einerseits sollte sich der Neubau harmonisch ins idyllische Ortsbild einfügen; andererseits war den Gemeindevertretern sehr an einem ausdrucksstarken Blickfang gelegen, zumal der Zweckbau in zentraler Ortsmittenlage – gleich hinter der Schule und in Sichtweite zum Rathaus – stehen würde. Das Bauvorhaben durfte allerdings keine überzogenen Kosten verursachen, musste also preiswürdig zu realisieren sein. Keine einfache Aufgabe für die Planer.

Das Münchener Architekturbüro Almannai Fischer, das für die Gebäudeplanung gemeinsam dem Ingenieurbüro Harald Fuchshuber aus Altötting verantwortlich zeichnete, fand in enger Zusammenarbeit mit dem Nagelplattenbinder-Hersteller Laumer Bautechnik aus Massing und dem angeschlossenen Laumer Ingenieurbüro die passende Lösung: Mit einem sichtbaren Dachtragwerk aus robusten, jeweils 25 Meter langen Nagelplattenbindern und einem fachwerkartigen Wandaufbau mit offenen Gefachen gelang das Kunststück, eine mindestens so sehenswerte wie bedarfsgerechte und zugleich kostengünstige neue Sporthalle zu errichten. Dass der vorbildliche Zweckbau 2017 mit dem Deutschen Holzbaupreis ausgezeichnet wurde, war für alle am Bau Beteiligten dann so etwas wie der Ritterschlag.

Von A bis Z durchdacht
Am Anfang stand die Meinungsbildung: Die Gemeinde Haiming beauftragte ihren Bauausschuss, Angebote und Entwurfsvorschläge zur Ausführung eines Hallenneubaus in Beton einzuholen.

Alternativ würde auch eine Holzkonstruktion in Frage kommen, war man sich im Bauausschuss einig, zumal Holz in Bayern traditionell ein besonders beliebter Werkstoff ist, der dort das Ortsbild vieler ländlicher Gemeinden prägt und verschönert.
Als verbindliche Vorgabe war vorgesehen, dass die Turnhalle zweieinhalb Felder umfassen musste. Denn es war von Anfang an daran gedacht, den Neubau nicht allein für die mannigfaltigen sportlichen Aktivitäten der Mitglieder des SV Haiming zu errichten, sondern sie auch den Schülerinnen und Schülern der benachbarten Grundschule für den Sportunterricht zur Verfügung zu stellen. Außerdem wollte man sie als Mehrzweckhalle für öffentliche Veranstaltungen nutzen. Eine voraus­schauende Planung der Hallendimensionen in Kombina­tion mit einer landschaftstypischen äußeren Gestaltung bot sich umso mehr an, als das Rathaus in Haiming in Sichtweite der Sporthalle liegt und fußläufig zu erreichen ist. Mithin war es Aufgabe der Architekten, den Neubau als integralen Bestandteil des Ortskerns zu entwerfen.

Eine echte Überraschung
Bei der Sichtung der nach öffentlicher Ausschreibung eingehenden Angebote gab es eine Überraschung, mit der im Bauausschuss von Haiming wohl kaum jemand gerechnet hätte: „Offerten über die Errichtung einer neuen Halle als Betonkonstruktion fielen um einiges teurer aus als Vergleichsangebote, die die Ausführung als Holzkonstruktion vorsahen“, berichtet Josef Straubinger, Geschäftsleiter der Gemeinde Haiming.
Die Gründe für den Preisunterschied dürften wesentlich in der Verbindungstechnik der Holzkonstruktion zu suchen sein: Die letztlich gewählte Ausführung des Dachtragwerks aus 38 robusten, jeweils 25 Meter langen, in trockenen Werkshallen maßgenau vorgefertigten Nagelplattenbindern fällt unterm Strich schon deshalb vergleichsweise preiswert aus, da die statische Bemessung bei Nagelplattenbinderherstellern, die Mitglied der Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte e.V. sind, zu den Inklusivleistungen zählt. Bei Laumer Bautechnik war und ist genau das der Fall. Hinzu kamen außerdem auf einer Fläche von 850 Quadratmeter Wandelemente aus herkunftszertifiziertem Nadelholz, die ebenfalls mit Nagelplatten als Verbindungsmittel errichtet wurden.
„Wenn man alle in Haiming verbauten Nagelplatten nebeneinanderlegt, ergibt sich eine Fläche von etwa 200 Quadratmetern, die vollständig mit Nagelplatten des Typs MiTek M14 bedeckt ist“, veranschaulicht Oliver Amandi, Geschäftsführer des Holzverbindungsmittel-Zulieferers MiTek Industries mit Sitz in Köln.

In diesem Zusammenhang spielt der hochgradig automatisierte Fertigungsprozess eine Schlüsselrolle, wenn es um die Sicherstellung der Qualität und Preiswürdigkeit von Bauelementen für Dachtragwerke und Wandkonstruktionen geht.
„Maximale Vorfertigungstiefe, Maßgenauigkeit jedes einzelnen Nagelplattenbinders und Robustheit im Verbund sind wesentliche Kennzeichen moderner wirtschaftlicher Tragwerkskonstruktionen, die Mitgliedsfirmen des Interessenverbandes Nagelplatten mit großem Erfolg anbieten, herstellen, liefern und montieren“, hebt der Sachverständige Dipl.-Ing. Ralf Stoodt hervor, Obmann im Güteausschuss des GIN.

Eine Frage des Stils
Über alle finanzkalkulatorischen und funktionalen Erwägungen hinaus gab am Ende jedoch ein ganz anderer Grund den Ausschlag, weshalb sich die Gemeinde Haiming für die Beauftragung des Hallenneubaus als Holzbauwerk entschied: Den Gemeindevertretern gefiel die Idee eines natürlich anmutenden Ingenieur-Holzbaus wesentlich besser als die Vorstellung einer Halle aus tristem Beton, wie man sie landauf, landab zur Genüge kennt.
„Wir wollten etwas Besonderes in Form, Funktionalität und Farbe. Mit Holz ließ sich dieser Wunsch zu überschaubaren Kosten erfüllen – und dazu noch sehr viel schneller als mit Beton“, erinnert sich Geschäftsleiter Josef Straubinger an die Entscheidungsgründe.

Farbwahl mit Sichtbezügen
Der sehr ansprechend gestaltete Neubau verfügt innen über ein Sichttragwerk aus birkenweiß lasierten Nagelplattenbindern, die von Laumer Bautechnik aus Massing stammen und von Zimmerei Holzbau Hecker fachgerecht montiert wurden.
Die fachwerkartig anmutende Tragwerksarchitektur setzt sich stilbildend an den Hallenwänden fort, woraus der Eindruck einer von einem stabilen Holzskelett ganzheitlich ummantelten Gebäudehülle resultiert. Außen ist der Baukörper in dezentem Grau gehalten, das einerseits mit der gemauerten Einfriedung des benachbarten Friedhofs harmoniert und andererseits einen wohltuenden Kontrast zum aktivierend-rötlichen Belag des Basketballfeldes der angrenzenden Grundschule bildet.

„Wer unkonventionelle Wege geht, muss immer auch mit Gegenwind rechnen. Wir in Haiming haben uns von Anfang an ergebnisoffen an die Planung gemacht und alle Für und Wider sorgsam abgewogen. Am Ende fiel die Entscheidung nahezu einstimmig, die Halle als Holzkonstruktion in Auftrag zu geben. Dafür sprachen sowohl die wesentlich gefälligere Entwurfsgestaltung, der hohe Sympathiewert des Baustoffs Holz sowie die Tatsache, dass die Holzkonstruktion absehbar preiswerter zu realisieren war als ein Gebäude aus Ortbeton oder Betonfertigteilen. Dass der Neubau letzten Endes sogar mit dem Deutschen Holzbaupreis ausgezeichnet wurde, zeigt, wie richtig unser Entschluss auch im Hinblick auf das überregio­nale Image unserer Gemeinde war. Der Holzbau fügt sich in seiner feingliedrigen Erscheinung ganz wunderbar ins gewachsene Ortsbild von Haiming ein“, resümiert Geschäftsleiter Josef Straubinger, dessen Büro sich im nahen Rathaus befindet und quasi in Sichtweite zur neuen Halle liegt. Seinem Bekunden nach würde er sich, wenn die Entscheidung erneut anstünde, wieder für eine Halle aus Holz mit Nagelplattenbinder-Dachtragwerk aussprechen.

Autor: Achim Zielke M.A., Baufachjournalist abp

von Gastautor

Erschienen in Ausgabe: April 2018 | Seite 32

Zurück