Management - von Gastautor
Strategische Markenarbeit in Bauunternehmen – Sinn oder Unsinn?
Gastbeitrag von Dr. Gerlinde Brinkel und Tobias Augsten, Strategiezentrum Bau, Nürnberg
Nürnberg – „Die Bauunternehmen haben im Schnitt die geringste Marge der am Bau Beteiligten. Diese liegt bei den größeren Bauunternehmen sogar niedriger als bei den kleinen.“ so die Botschaft eines Experten aus einer Runde an Bauunternehmern, die sich an einem Freitagnachmittag in der Zentrale des Bayerischen Bauindustrieverbandes zusammengefunden hat. „Wir müssen Wege finden, wie wieder eine vernünftige Balance am Bau hergestellt werden kann.“
Es stellt sich die Frage: Welchen Beitrag kann das Thema Marke zur Verbesserung der Rentabilität leisten? Die Markenarbeit hat ohne Zweifel eine überragende Bedeutung bei den Endverbrauchern. In der Bauwirtschaft ist professionelle Markenarbeit jedoch nicht verbreitet. „Die Marke ist der Königsweg zur Effizienz“ erklärt Strategieexperte Tobias Augsten, Leiter Strategiezentrum Bau aus Nürnberg. Die Marke signalisiert, welches Versprechen das Unternehmen seiner Umwelt gibt. Je klarer und eindeutiger dieses Versprechen ist und je mehr es die Mitarbeiter verinnerlicht haben, umso kraftvoller ist seine Wirkung am Markt. Insofern hat die Arbeit mit der Marke nicht nur eine Wirkung auf die mögliche Bauherrschaft, sondern strahlt darüber hinaus auf Architekten, Planer sowie potentielle Arbeitnehmer aus.
Markenüberarbeitung in der Praxis
Dass eine Marke durchaus Sinn macht und Großes bewirken kann, zeigt Wolfgang Finck. Er ist Bauunternehmer und hat im beschaulichen Thale in Sachsen-Anhalt die respektable Bau Gruppe RST aufgebaut. Mit mittlerweile 65 Jahren hat er das Geschäft an seinen Sohn übergeben. Der Generationswechsel war eine Zeit des Aufbruchs. Genau der richtige Moment somit, um die gesamte Unternehmensgruppe auf den Prüfstand zu stellen. Im Führungskreis stellte man sich die Fragen: Wofür steht unser Unternehmen eigentlich und wo wollen wir in den nächsten fünf Jahren hin? Diese Fragen konnten nur in einem gemeinsamen Strategie- und Markenentwicklungsprozess beantwortet werden.
Schnell wurde klar: Ohne einen genauen Blick „hinter die Kulissen“ kommt man hier nicht weiter. Um den Erarbeitungsprozess effizient und rasch durchführen zu können, entschied sich Herr Finck für eine externe Begleitung durch das Strategiezentrum Bau.
Im Ergebnis vieler Gespräche mit Schlüsselmitarbeitern wurde deutlich, dass sich im Unternehmen ein starkes Spartendenken in den einzelnen Bereichen Recycling, Ingenieurbau und Galabau herausgebildet hatte. Jeder Bereich optimierte sich so gut es ging selbst. Die übergreifenden Projekte waren zahlenmäßig rückläufig. Es lag auf der Hand, dass der Prozess zu einem gemeinsamen Denken, mehr Kommunikation und bereichsübergreifender Projektakquise führen musste. „Ich wollte meinem Sohn einen fruchtbaren Acker übergeben, durch den er künftig reiche Ernte einbringen sollte.“
In verschiedenen Workshops, unter Einbezug vieler Mitarbeiter, „erkannten wir, welche Werte wir im Unternehmen leben wollten und welches Leistungsversprechen RST eigentlich ausmacht.“ Auf dieser Basis entstanden eine konkrete Mission, die Vision und ein handfester Maßnahmenplan für die nächsten Jahre.
Mit diesem Wissen war auch der Grundstein für das Marken-Redesign gelegt. „Die Agentur wusste genau, was sie zu tun hatte, da wir ihr eine konkrete Vorstellung von unserem Unternehmen und unserer Vision mitbrachten.“ so Herr Finck. Schließlich entstand eine neue Markenerscheinung, welche fortan auf der Firmenhomepage, dem Messestand, der Geschäftsausstattung und vor allem im Fuhrpark und der neuen Baustellenbeschilderung ersichtlich wurde.
„Wir wurden zu diesem Zeitpunkt ganz anders von der Öffentlichkeit wahrgenommen und haben viel positives Feedback bekommen.“ so Herr Finck über die Einführung. Nicht nur nach außen hatte die Marke eine merkliche Wirkung, auch die Akzeptanz durch die Belegschaft war bemerkenswert. Insgesamt hatte der Prozess der Strategie- und Markenerarbeitung die Mitarbeiter stärker zusammenrücken lassen. „Seither gibt es keine Grüppchenbildung bei der Weihnachtsfeier mehr.“ freut sich Herr Finck. Die Unsicherheiten und Herausforderungen an der Baustelle sind freilich weiter da, allerdings – so Herr Finck – gäbe die in der Marke visualisierte Strategie bei vielen Fragen mehr Sicherheit, in welche Richtungen Entscheidungen gefällt werden sollen. Außerdem ist die Arbeit zwischen den Bereichen enger verzahnt.
Richtige Markenentwicklung
Der Praxisbericht zeigt, dass eine erfolgreiche Markenentwicklung weit mehr als eine reine Kreativleistung umfasst. Es ist ein Prozess der identitätsstiftenden Selbstvergewisserung und der Neuausrichtung, der nur begrenzt durch das Engagement einer Werbeagentur bewerkstelligt werden kann. Unter welchen Bedingungen aber kann eine umfassende Markenentwicklung erfolgreich sein? Folgende Erfolgsfaktoren lassen sich festhalten:
1. Lassen Sie sich ihre Marke niemals von einer Werbeagentur „überstülpen“. Entwickeln sie – begleitet oder unbegleitet – in einem ersten Schritt Ihre Werte (Was macht uns aus?), Ihre Mission (Welchen Auftrag erfüllen wir?) und Ihre Vision (Was wollen wir langfristig erreichen?).
2. Nehmen Sie Ihre Schlüsselmitarbeiter mit auf Ihre Reise und binden Sie sie aktiv in den Prozess ein. So werden Betroffene zu Beteiligten, die die Ergebnisse der Erarbeitung nachhaltig mittragen und im Unternehmen verbreiten.
3. Nutzen Sie die erarbeiteten Inhalte für das Briefing der ausgewählten Werbeagentur.
4. Überprüfen Sie sämtliche Wege der Kommunikation, vom Bauschild bis zum Verwaltungsgebäude, von der Mailsignatur bis zum Facebookauftritt.
Werden diese Erfolgsfaktoren beherzigt, so kann die Marke einen erheblichen Einfluss auf die Rentabilität nehmen und zum Stützpfeiler der Unternehmensentwicklung werden.
Fazit
Bauunternehmen verkaufen ein abstraktes Leistungsversprechen. Es ist nicht möglich, dem Bauherrn die Qualität der Leistungserstellung und das Endprodukt vor Fertigstellung des Bauwerkes darzustellen. Deswegen ist es am Bau umso bedeutender, die Fähigkeiten, Potentiale und Alleinstellungsmerkmale in der Kommunikation zum Endkunden bestmöglich herauszustellen. Eine außerordentliche Bedeutung im Kommunikationsprozess am Markt besitzt dabei eine starke und aussagekräftige Marke.
Eine Markeninvestition lohnt sich weiterhin in Bezug auf die Außenwirkung am Arbeitsmarkt. Potentiellen Mitarbeitern wird signalisiert, dass es im Unternehmen eine konkrete Ausrichtung gibt. Es ist attraktiv, an diesem Weg mitzuarbeiten.
Schließlich wirken Marken nicht nur nach außen, sondern ebenso in die Organisation hinein. Durch das Bewusstsein über die gelebten Werte und die eingeschlagene Strategie, die sich in der Marke widerspiegeln, wird die Identifikation mit dem Unternehmen gestärkt. Die Mitarbeiter fühlen sich mehr als Bestandteil eines großen Ganzen. Eine attraktive Vision spornt zudem an, im täglichen Geschäft Höchstleistungen zu zeigen. Zudem fällt die interne Kommunikation und Abstimmung leichter, da alle Beteiligten in einer einheitlichen Sprache kommunizieren.
Im Rahmen der Markenarbeit sollte die Rolle des Marketings in der Organisation überprüft werden. Wo werden markenrelevante Entscheidungen getroffen? Gibt es die Möglichkeit, eine zentrale Stelle im Unternehmen mit den Marketingaufgaben zu betrauen? Wie sollte diese Stelle ausgestaltet sein?
Wann der richtige Zeitpunkt für eine Markenentwicklung gekommen ist, lässt sich nicht verallgemeinern. Die Erfahrung zeigt, dass eine Überarbeitung spätestens alle 10 Jahre sinnvoll ist. Passend sind jedoch alle Zeitpunkte, zu denen das Unternehmen größere Veränderungen durchlebt. Typische Wendepunkte sind Generationswechsel und Strategieprozesse. Allerdings sollte auch die Einführung einer Innovation oder eines neuen Geschäftsfeldes immer Anlass sein, die Markenarbeit zu überprüfen.
Das Strategiezentrum Bau
Das Strategiezentrum Bau ist seit 2012 ein auf die Bauwirtschaft konzentrierter Experte in den Bereichen Strategie- und Organisationentwicklung, sowie in der Begleitung von dem Prozess der Unternehmensnachfolge. Die Erfahrung aus über 70 Projekten in der Bau- und Immobilienwirtschaft in den vergangenen 13 Jahren hat in den Projekten zu einem pragmatischen Ansatz geführt. Die Experten des szb erarbeiten die Ergebnisse gemeinsam mit den Führungskräften und Mitarbeitern in strukturierter Form und begleiten sie anschließend bei der Umsetzung der beschlossenen Projekte. Alle Prozesse erfolgen in einer Form, die sich in der Praxis bewährt hat und bei der berücksichtigt wird, wie viele Projekte eine Organisation neben dem Tagesgeschäft tatsächlich umsetzen kann.
Autoren: Dr. Gerlinde Brinkel und Tobias Augsten, Strategiezentrum Bau, Nürnberg
von Gastautor
Erschienen in Ausgabe: April 2016 | Seite 8