China -
Technologietransfer durch Übernahmen: Chinesische Investoren vollstrecken den Plan der Staatsführung
China rafft weltweit das Know-how von Schlüsselindustrien an sich. Bund untersagt erstmals Firmenverkauf an Chinesen
DBU/Berlin – China will nicht länger „die Werkbank der Welt“ sein. Bereits seit 2015 treibt die Staatsführung die Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft voran. Die Volksrepublik will die USA als weltweit führenden Technologie-Standort ablösen. Offiziell gilt der industriepolitische Plan Pekings für die Privatinvestoren des Landes. Doch eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeichnet ein anderes Bild: Das Investitionsverhalten chinesicher Geldgeber hat sich in den vergangenen Jahren verändert und deckt sich nun weitgehend mit dem Plan der Staatsführung. Dieser hat in den westlichen Industriestaaten das Misstrauen gegenüber chinesischen Direktinvestitionen weiter verstärkt. Auch die Bundesregierung ist alarmiert. Zuletzt hat Schwarz-Rot die Beteiligungs- und Übernahmepläne von zwei chinesischen Konzernen durchkreuzt. Das Bundeswirtschaftsministerium verspricht, den vielfach befürchteten „Technologie-Ausverkauf“ zu verhindern.
Chinas Ambitionen sind längst bekannt. Im Mai 2015 hat die Regierung um Premierminister Li Keqiang die Strategie „Made in China 2025“ vorgestellt und verfolgt diese seither auch offiziell. In zehn Schlüsselbranchen will die Volksrepublik bis 2025 in die technologische Weltspitze vorstoßen – darunter Robotik, energiesparsame Antriebstechnik, Landmaschinentechnik und Biomedizin. Laut Bertelsmann-Studie waren chinesische Direktinvestitionen in Biomedizin-Unternehmen aus Deutschland bis zum Jahr 2014 sehr selten. Jetzt stehen Betriebe dieses Wirtschaftszweiges weit oben auf den Wunschlisten chinesischer Firmenkäufer. 16 Prozent der Transaktionen entfallen auf diese Branche. Nur Unternehmen aus den Technologie-Bereichen „energiesparsame Antriebstechnik“ (21 Prozent) und „Energiesysteme“ (19 Prozent) sind laut Bertelsmann-Studie bei chinesischen Investoren noch begehrter.
Laut einer Studie der Unternehmensberatung EY haben chinesische Firmen seit Jahresbeginn bereits 15 Milliarden US-Dollar für Übernahmen und Beteiligungen in Europas ausgegeben, zehn Milliarden Euro davon steckten die Investoren in deutsche Unternehmen.
Deutschland ist seit einigen Jahren das mit Abstand wichtigste Zielland chinesischer Direktinvestitionen in Europa. Das war nicht immer so. Laut Berechnungen des in Berlin ansässigen Mercator Institute for China Studies summieren sich die Direktinvestitkionen, die chinesische Kapitalgeber zwischen 2000 und 2017 in Großbritannien tätigen, auf 42,2 Mrd. Euro. Auf Deutschland entfielen im gleichen Zeitraum laut Mercator-Institut 20,6 Milliarden Euro. Damit belegt die Bundesrepublik Rang zwei unter den EU-Staaten; vor Italien (13,7 Milliarden Euro) und Frankreich (12,4 Milliarden Euro).
Betonpumpen, Roboter, Autos
2012 schluckte der chinesische Baumaschinen-Konzern Sany (40.000 Mitarbeiter) für über 500 Millioen Euro den Betonpumpen-Hersteller Putzmeister aus Baden-Württemberg, den Weltmarkt- und Technologieführer seiner Branche.
2016 sicherte sich der chinesische Midea-Konzern die Anteilsmehrheit am Augsburger Roboter-Spezialisten Kuka. Die 4,6-Milliarden.-Euro-Übernahme machte aus dem Waschmaschinen- und Klimaanlagen-Giganten Midea (135.000 Mitarbeiter) einen globalen Techologie-Führer im Bereich der Robotik, dessen Technologie unter anderem von Boing, Bosch und Siemens, selbst vom US-Militär und der europäischen Raumfahrtbehörde Esa genutzt wird. 2023 läuft die Unabhängigkeits-Garantie für Kuka aus, die die Alteigner Midea im Übernahme-Poker abgerungen hatten.
Selbst in Unternehmen, die zum „globalen Markenkern“ der deutschen Wirtschaft zählen, haben Investoren aus China bereits Fuß gefasst. Seit Februar hält der chinesische Autohersteller Geely (seit 2010 Eigentümer des schwedischen Auto-Bauers Volvo Cars) 9,7 Prozent aller Daimler-Aktien und ist somit der größte Anteilseigner des Stuttgarter Konzerns. Zu aktuellen Kursen ist das Investment nahezu sechs Milliarden Euro wert.
Widerstand wächst
Doch zuletzt ist die Deutschland-Tour chinesischer „Firmen-Shopper“ ins Stocken geraten. Im Juli scheiterte der chinesische Konzern Yantai Taihai mit dem Plan, das münsterländische Maschinenbau-Unternehmens Leifeld Metal Spinning aufzukaufen. Die Bundesregierung hatte die Übernahme untersagt und begründete diese mit „sicherheitspolitischen Gründen.“ Ein bis dato einmaliger Vorgang.
Leifeld stellt Maschinen zur Metallbearbeitung her, die auch in der Nuklear- sowie in der Raum- und Luftfahrtindustrie eingesetzt werden. Letztere zählt zu den Branchen, in denen China nach der globalen Technologieführerschaft trachtet.
Auch den Einstieg des chinesischen Staatsunternehmens State Grid Corporation of China (SGCC) beim deutschen Netzbetreiber 50-Hertz hat die Bundesregierung verhindert. Dies sei „zum Schutz kritischer Energieinfrastrukturen“ geschehen, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. 50-Hertz ist einer von vier Übertragungsnetzbetreibern in der Bundesrepublik. Das Unternehmen verantwortet die sichere Stromversorgung in sieben Bundesländern mit insgesamt rund 18 Millionen Einwohner.
Im September 2015 wurde bekannt, dass Chinas Führung von bis 2050 ein „Weltstromnetz“ errichten möchte, in dessen Mittelpunkt die Volksrepublik stehen solle. Über seinen Staatskonzern SGCC ist China bereits am Betreiber des portugiesischen Stromnetzes zu 25 Prozent beteiligt. Mit der 50-Hertz-Übernahme wäre China der Einstieg in das deutsche Stromnetz gelungen.
Anders als im Fall Leifeld hat die Bundesregierung die Übernahme von 50-Hertz nicht verboten, sondern hat selbst zu gegriffen. Die Bundesregierung hat die staatseigene Bank KfW angewiesen, sich den 20-Prozent-Anteil an dem Netzbetreiber zu sichern, den die Chinesen erwerben wollten.
Paris sagt „non“
Nicht nur Deutschland hat einen schärferen Kurs im Umgang mit Firmenübernehmen durch chinesischer Investoren eingeschlagen, auch in Frankreich und den USA stießen Investoren aus China zuletzt auf politischen Widerstand. So legte die französische Regierung Mitte Juli ihr Veto gegen die vollständige Übernahme des Pariser Unternehmens Manoir Industries durch den chinesischen Yantai-Taihai-Konzern ein. Der Konzern (der gleiche, dem die Bundesregierung nur wenige Tage später den Aufkauf von Metallumformungs-Spezialist Leifeld untersagte) ist bereits seit 2012 als Großaktionär an Manoir beteiligt. In den französischen Medien ist der Einstieg der Chinesen bei Manoir Industries ein häufig erwähntes Beispiel für den Technologieausverkauf nach China.
Die Macher der Bertelsmann-Studie raten trotz allem zu „einem besonnenen Umgang mit zukünftigen Investitionen“ aus China.
Cora Jungbluth, Wirtschaftsexpertin der Bertelsmann Stiftung verweist auf die Vorteile ausländischer Direktinvestitionen. Diese „bringen Kapital nach Deutschland und schaffen Arbeitsplätze“, so Jungbluth. Zudem hätten „chinesische Investoren bisher durchaus langfristiges Interesse an ihren Firmenbeteiligungen gezeigt und teilweise sogar Standortgarantien abgegeben.“ Die Expertin der Bertelsmann-Stiftung ermahnt die Europäer „mit einer Stimme“ gegenüber China aufzutreten. Jungbluth setzt auf einen erfolgreichen Abschluss der seit 2014 andauernden Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China. Dieses wäre „ein wichtiger Schritt in Richtung“ bilateraler Wirtschaftsbeziehungen auf Augenhöhe, schreibt Studien-Autorin Jungbluth.
„Chinas Geld auf deutschen Baustellen" - siehe nächste DBU-Ausgabe, 14. September
Erschienen in Ausgabe: August 2018 | Seite 3