Gastbeitrag - von Gastautor
Wie professionelles Nachunternehmermanagement funktioniert
Gastbeitrag von Bernd C. Gruenenthal, Leiter Nachunternehmermanagement bei Wolff & Müller
Stuttgart - Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung schädigen die Volkswirtschaft und drücken den Preis zulasten ehrlich handelnder Betriebe. Finanzbehörden, Branchenverbände, die Sozialkasse SOKA-BAU und die Gewerkschaften haben deshalb ein gemeinsames Interesse, die Schattenwirtschaft am Bau zu verhindern und zu bekämpfen. Darüber hinaus gibt es einzelne Unternehmen, die sich in besonderem Maße für Compliance engagieren und ein Nachunternehmermanagement entwickelt haben, das auch für andere Betriebe als beispielhaft gilt. Ein solcher Vorreiter ist das Stuttgarter Bauunternehmen Wolff & Müller, mit rund 2.000 Mitarbeitern und 27 Standorten im Bundesgebiet eines der größten deutschen Bauunternehmen in privater Hand.
Wolff & Müller hat schon vor Jahren erkannt, dass die bestehenden gesetzlichen Vorgaben bei weitem nicht ausreichen, um Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung bei Nachunternehmen wirksam zu verhindern. Daraus entstand ein Maßnahmenbündel, das nicht nur Haftungsrisiken abdeckt, sondern eine lückenlose Prävention gewährleistet. Die jährlichen Kosten von rund 1 Mio. Euro werden nur zum Teil durch einen maßgeblich störungsfreien Bauprozess zurückgezahlt. Einen Großteil der Kosten betrachtet Wolff & Müller als Investition in die Qualitäts-, Termin- und Kostensicherheit der eigenen Bauprojekte, aber auch in die Zukunft der Bauwirtschaft: Es geht um faire Wettbewerbsbedingungen, den Schutz der regionalen Bau- und Handwerksbetriebe und darum, Imageschäden für die Bauwirtschaft abzuwenden.
Maßnahmen im Einzelnen:
• Abteilung Nachunternehmermanagement: Diese 2011 gegründete Abteilung koordiniert sämtliche Maßnahmen zur Prävention von Gesetzesverstößen und kontrolliert auch selbst Baustellen vor Ort. Sie ist interner Ansprechpartner zum Thema Compliance für die bundesweiten Standorte, zentraler Ansprechpartner für den Zoll und Beratungsstelle für Baupartner.
Potenzielle Nachunternehmen können sich dort schon in der Bewerbungsphase über die geltenden rechtlichen Regelungen informieren. Zehn Nachunternehmer-Koordinatoren sind ständig bundesweit unterwegs und überprüfen die Baupartner und deren Personal direkt auf der Baustelle. Für die Baustellen und die bundesweit 113 FSK-Stellen des Zolls wurde eine Hotline eingerichtet.
• Schulungen: Die firmeneigene Wolff & Müller-Akademie hat seit 2011 mehr als 950 Mitarbeiter in der gesetzeskonformen Beauftragung und Beschäfti-gung von Baupartnern geschult, sowohl Poliere, Bau- und Projektleiter als auch Einkäufer und Baukaufleute.
• Prüfung potenzieller Baupartner vor der Vergabe: Durch eine simple Erstprüfung mittels Internet kann Wolff & Müller zahlreiche schwarze Schafe aussortieren.
Vorsicht ist beispielsweise geboten, wenn auf der Website nur eine allgemeine Info-Mailadresse oder eine Mobilnummer angegeben ist oder wenn das Bild des Hauptsitzes bei Google Street View auf ein Privathaus oder eine Briefkastenfirma hindeutet.
Die Abteilung Einkauf überprüft jede Firma, die sich um Aufträge bewirbt, anhand eines Kataloges mit bis zu 19 Kriterien – von der Gewerbeanmeldung über die Tariftreueerklärung bis zur Haftpflichtversicherung. Sie fordert von Behörden und Einzugsstellen wie SOKA-BAU, Berufsgenossenschaften, Sozialversicherungseinzugsstellen und Finanzbehörden alle Nachweise an, die für eine rechtskonforme Beauftragung nötig sind.
• Prüfung der Nachunternehmen in der Ausführungsphase: Wolff & Müller überprüft vor Ort auf der Baustelle, ob der Baupartner seine Mitarbeiter legal einsetzt, fair bezahlt und ordnungsgemäß versichert. Ein wichtiger Aspekt ist die Plausibilitätsprüfung des Arbeitslohns. Dazu braucht Wolff & Müller von allen Einzugsstellen qualifizierte Bescheinigungen mit Angabe der gemeldeten Arbeitnehmer und Angabe der Arbeitsentgelte. Die geleisteten Arbeitsstunden werden mit dem Bautagebuch verglichen.
Bei Unternehmen, die gewerbliche Mitarbeiter aus EU-Ländern entsenden, werden die sogenannten A1-Entsendenachweise nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) auf Vollständigkeit und korrekte Ausfüllung überprüft. Zusätzlich prüft Wolff & Müller die Anmeldung nach §18.1 AEntG an die Generalzolldirektion in Bonn, inklusive Namensliste und Protokoll.
• Feste Partnerschaften im Rohbau: Im Bereich Rohbau-Lohnleistungen beauftragt die Unternehmensgruppe überwiegend nur noch zehn Firmen, die der Einkauf und das Nachunternehmermanagement zuvor vor Ort besucht und intensiv überprüft haben.
• Zertifikat „Präventiv & Nachhaltig“: Um die umfangreichen Präventionsmaßnahmen strukturiert zu dokumentieren und auch öffentlich und Bauherrn gegenüber zu belegen, hat Wolff & Müller zusammen mit dem TÜV Thüringen das Zertifikat „Präventiv & Nachhaltig“ entwickelt. Die Prüf- und Bewertungskriterien im Zertifizierungsverfahren gehen weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.
Plädoyer für mehr offizielle Unterstützung
Aus seinen bisherigen Erfahrungen plädiert das Unternehmen dafür, dass künftig bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nicht allein der Preis entscheidet, sondern die Rechtskonformität des Bewerbers und seiner Nachunternehmer – als Ergebnis einer gründlichen (Plausibilitäts-)Prüfung.
Es wäre wünschenswert, dass die öffentliche Hand illegalen Praktiken deutlicher einen Riegel vorschiebt und die bisherigen Standardanforderungen verschärft, zumal deren Lücken bekannt sind.
Die Bauwirtschaft braucht mehr Unterstützung von den Einzugsstellen. Alle Bescheinigungen müssen so ausgestellt sein, dass die beauftragenden Bau- und Generalunternehmen deren Plausibilität überprüfen können. Nur so hat die Bauwirtschaft die Chance, Wettbewerbsverzerrungen und Wirtschaftskriminalität zu verhindern.
Autor: Bernd C. Gruenenthal, Leiter Nachunternehmermanagement bei Wolff & Müller.
von Gastautor
Erschienen in Ausgabe: Februar 2018 | Seite 39